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Varoufakis_Marr240Wir haben kürzlich hier darüber berichtet, wie Spin- Doktoren im EU-Machtzentrum falsche Informationen streuen, die dann von den Medien begierig aufgenommen und verbreitet werden, um den gewünschten politischen und öffentlichen Druck (Spin) zu erzeugen, der den Urhebern und den medialen Lautprechern gleichermaßen ins ideologische Konzept passt. Im konkreten Fall ging es um eine erneute gezielte Diffamierung und Diskreditierung des griechischen Finanzministers Yanis Varoufakis.

Als “Spieler“, “Zeitverschwender” oder auch “Amateur” hätten ihn seine Kollegen bezeichnet, behaupteten die regierungsnahen deutschen Mainstreammedien von ARD bis ZEIT unter angeblicher Berufung auf Teilnehmer, Insider oder Diplomaten. Diese angeblichen Äußerungen hatte aber nicht nur Varoufakis italienischer Kollege dementiert, sondern auch er selbst, jüngst in einem Interview mit der New York Times. Statt dass die Medien ihre offensichtlich entlarvten Lügen hinterfragen und aufdecken, wer hier mit welchen Interesse Fehlinformationen streut, wird erneut Varoufakis auf die Anklagebank gesetzt, weil er sich gegen diese falschen Behauptungen zur Wehr setzt.

Dieser hatte die Gespräche aufgezeichnet, um sie später rekapitulieren und seinen Kollegen exakt Bericht erstatten zu können, denn es ist vollkommen klar, dass es hier um jedes Wort und jede Nuance ankommt – die sich außer vielleicht einem Inselbegabten, kein normaler Mensch genau merken könnte. Eine Praxis, die darüberhinaus durchaus gängig sein dürfte und wohlgemerkt alles andere als illegal ist, so lange die Mitschnitte nicht ungefragt veröffentlicht werden.

Nun wird von den Lügenmedien nicht das eigene „Versagen“, die Desinformation und das Belügen der breiten Öffentlichkeit aufgeklärt, sondern Varoufakis wird jetzt wegen der Mitschnitte angegriffen. Auch gestern hieß es auf tagesschau.de, Varoufakis hätte „Mitschnitte zugegeben“ bzw „eingestanden“ – gerade so, als wäre das Mitschneiden strafbar. Dass die Lügenmedien hiermit ihre eigene Schmierenkampagne bemänteln wollen ist offensichtlich.

Varoufakis_Riga120Der griechische Finanzminister Varoufakis setzt sich nun in einem Interview mit BBC (der Teil, in welchem er die Vorgänge in Riga klarstellt, ist offenbar nicht veröffent- licht worden) und auf seinem Blog zur Wehr, erklärt die wahren Hintergründe und weist auf die Gefahren sowohl dieses Lügenjournalismus, als auch auf die geheimen Machenschaften der EU hinter verschlossenen Türen hin, weshalb wir seinen Blogeintrag hier komplett als deutsche Übersetzung veröffentlichen:

 Die Wahrheit über Riga

Es war der 24. April. Das Treffen der Eurogruppe, das an diesem Tag in Lettland stattfand, war von großer Bedeutung für Griechenland. Es war das letzte Treffen der Eurogruppe vor Ablauf der Frist (30. April), die wir gemeinsam (am 20. Februar), während einer Vereinbarung über die Reihe von Reformen, die Griechenland umsetzen müsste, um die die Sperren unserer Kreditgeber rechtzeitig aufzuheben, gesetzt hatten.

Während dieses Treffens der Eurogruppe, das in Meinungsverschieden- heiten endete, begannen die Medien “Lecks” aus dem Verhandlungsraum zu veröffentlichen, um der Welt ein grotesk falsches Bild dessen zu präsentieren, was dort vorging. Respektierte Journalisten und ehrwürdige Medien berichteten Lügen und Unterstellungen, sowohl darüber, was meine Kollegen angeblich zu mir sagten, als auch zu dem, was meine angeblichen Antworten und meine Darstellung der griechischen Position anging.

Die Tage und Wochen danach wurden von diesen falschen Geschichten dominiert, die fast jeder (trotz meiner stetigen, besonnenen Dementis) als wahre Berichte zur Kenntnis nahm. Der Öffentlichkeit wurde durch diese Mauer der Desinformation eingeredet, dass mich meine Ministerkollegen während des Treffens der Eurogruppe am 24.April in Riga mit beleidigen Namen (“Zeitverschwendung”, “Spieler”, “Amateur” usw.) tituliert hätten, dass ich meine Beherrschung verloren hätte und dass, als Ergebnis, mein Premierminister mich später von den Verhandlungen abgezogen hätte. (Es wurde sogar berichtet, dass ich nicht an den folgenden Treffen der Eurogruppe teilnehmen oder dass ich durch einen anderen Ministerkollegen beaufsichtigt würde.) Natürlich war nichts davon auch nur annähernd wahr.

  • Meine Ministerkollegen haben mich niemals anders, als kollegial, höflich und repektvoll angesprochen
  • Ich habe weder bei diesem Treffen noch zu einem anderen Zeitpunkt mein Temperament verloren
  • Ich verhandle weiterhin mit meinen Kollegen Finanzministern an führender Position der griechischen Seite der Eurogruppe

Dann kam eine Geschichte im New York Times Magazine, die die Möglichkeit einer Aufnahme dieses Treffen der Eurogruppe durch mich in den Raum stellte. Ganz plötzlich änderten die Journalisten und Medien, die die Lügen und die Anspielungen über das Treffen der Eurogruppe am 24. April verbreitet hatten, ihre Taktik. Ohne einen Hauch von einer Entschuldigung für die Flut von Unwahrheiten, die sie gegen mich wochenlang verbreitet hatten, begannen sie nun, mich als “Täuscher” darzustellen, der die Vertraulichkeit der Eurogruppe betrogen hätte.

An diesem Morgen nahm ich in der Andrew Marr TV-Show (BBC1) zu diesem Vorgängen Stellung. Ich nutze diese Gelegenheit, um die Wahrheit auch hier in meinem Blog schriftlich darzulegen.

Diese Wahrheit ist wie folgt:

Wie ich schon Andrew Marr in der kurzen Zeit erklärte, zeichne ich meine Äußerungen und Antworten auf meinem Handy auf, insbesondere dann, wenn ich freisprechend rede. Der Sinn ist natürlich, auf diese Weise in der Lage zu sein, mich meiner genaue Sätze zu erinnern und meinen Premierminister, das Kabinett, Parlament usw. genau darüber informieren zu können, was ich gesagt habe. Ich tat das genauso beim Treffen der Eurogruppe in Riga um damit, später wieder in Athen, die Aufnahme zu benutzen, um meine Kollegen zu informieren.

In den folgenden Tagen und Wochen stand ich vor einer Flut von Lügen, die wochenlang wie aus einer außer Kontrolle geratenen Kloake kamen. Ich verzichtete auf jedwede Provokation und weigerte mich, irgendetwas von dem, was in der Sitzung gesagt wurde, preiszugeben – nicht einmal den Text meiner eigenen Ansprachen (geschweige denn meine Aufnahmen).

Zu meinen Verleumdern habe ich Folgendes zu sagen: Sie haben keinen einzigen Leak von mir, während oder nach einer meiner Sitzungen. Tatsächlich hat niemand die Vertrautheit der Gespräche mehr respektiert als ich – selbst in den Tagen und Wochen, in denen ich von falschen und persönlichen Angriffen dieser Medien provoziert worden bin.

Meinen europäischen Mitbürgern füge ich dieses hinzu: Vielleicht ist es Zeit, dass wir gegenüber dem Journalismus etwas skeptischer werden, auf den wir uns als Bürger verlassen. Und vielleicht sollten wir europäische Institutionen hinterfragen, in denen Entscheidungen von monumentaler Bedeutung im Namen der europäischen Bürger getroffen werden, ohne dass diese protokolliert oder gar veröffentlicht werden.

Geheimniskrämerei und eine leichtgläubige Presse verheißen nichts Gutes für die europäische Demokratie.