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SPON_Forum_ZensurFür den Spiegel ist es offenbar eine kulturelle Angelegenheit und keine politische, wenn Bürger gegen die einseitige Berichterstattung, Desinformation und Propaganda in den deutschen Medien – in diesem Fall konkret bei ARD und ZDF – auf die Barrikaden gehen. Schon das ist eine befremdliche Tatsache.

Es ist allerdings kein Redakteur des Feuilletons, der den Artikel Internetaktivisten werfen ARD und ZDF antirussische Propaganda vor verfasst hat, sondern mit Benjamin Bidder der Russland-Journalist des Spiegels, der gerade eben erst seine Kollegen von der ARD gegen Kritik des Programmbeirats in Schutz genommen hatte. Bidder selbst gehört zu den stramm transatlantisch eingenordeten Böcken, die eigentlich als letztes geeignet sind, sachlich und ausgewogen über Kritik an den Medien zu berichten.

Am Samstag veröffentlichte also SPIEGEL ONLINE einen weiteren Artikel Bidders, in dem dieser über Maren Müller und ihr Projekt „Publikumskonferenz“ berichtet. Im Großen und Ganzen ist der Artikel relativ fair, auch wenn die offensichtlichen Beispiele für Propaganda und Desinformation in den ÖR kleingeredet oder als lässliche Fehler dargestellt werden. Das letzte Wort von Gemma Pörzgen zum Ende des Artikels: „ARD und ZDF aber hätten sich „im Großen und Ganzen bewährt“, ist natürlich grober Unfug. Wenn es so wäre, gäbe es kaum den Sturm der Entrüstung.

SPON_Propaganda_BidderViel interessanter als der Artikel selbst, ist ein Blick in das Forum, worauf uns Leser Max L. dankenswerterweise im Propaganda-Melder hingewiesen hat. Wer schon mal einen Account bei SPIEGEL ONLINE hatte und im dortigen Forum mitdiskutiert hat, der weiß, dass es bei solch kontroversen Themen im Spiegel-Forum Kommentare im Sekundentakt hagelt.

Wenn man sich nun das Kommentar-Forum zum entsprechenden Artikel Bidders anschaut, fällt auf den ersten Blick die Masse der beipflichtenden pro-westlichen Claquere auf. Diametral entgegen den Mehrheitsmeinungen in jedem anderen Forum, scheinen sich bei SPIEGEL ONLINE NATO-Fans und Maidan-Aktivisten die Klinke in die Hand zu geben. Das ist durchaus denkbar, denn SPIEGEL ONLINE ist immer noch das nach Klickzahlen führende Medium in Deutschland und für Maidan-Aktivisten somit erste Anlaufstelle, um ihre Sicht darzulegen – was ja vollkommen legitim ist.

SPON_Propaganda_Bidder_Kommentar1Schaut man sich jetzt aber einmal die UHRZEITEN genauer an, zu denen Kommentare abgegeben wurden, dann dämmert sehr schnell, was da läuft. Bidders Artikel erschien um 10:07 Uhr, danach dauerte es (an einem Samstag Vormittag!) ganze 22 Minuten bis um 10:29 Uhr der erste Kommentar freigeschaltet wurde. Es kann kein Zweifel bestehen, dass es in diesen 22 Minuten bereits reichlich Kommentare gab, aber sie wurden ganz offensichtlich gnadenlos wegzensiert, wie man das so aus Nordkorea kennt. Üblicherweise dauert es im Spiegel-Forum 5-10 Minuten bis zum ersten Kommentar.

Auch in der Folge erscheinen dort, wo normalerweise Kommentare im Minutentakt eintreffen, immer wieder Lücken von 10 Minuten und mehr, gerade so, als ob das Thema niemanden interessieren würde. Am Ende (als sich der Artikel im Netz herumgesprochen hat, die Zahl also eher steigen müsste) liegen zwischen drei der vier letzten Kommentaren Zeitspannen von ca. 30 Minuten:

Kommentar #39: 14:18 Uhr

Kommentar #40: 14:45 Uhr

Kommentar #41: 15:14 Uhr

Der letzte Kommentar #42 erscheint um 15:17 Uhr und ist genauso auf anti-russsicher NATO-Linie, wie die letzten 7 Kommentare und die große Mehrheit der westlichen Claquere zuvor. Nachdem sich das transatlantische Propagandaorgan SPIEGEL mit seinen Foren-Kapos auf diese Weise die Welt zurechtgelogen hat, wird das Forum geschlossen.

Es ist müßig, zu erwähnen, dass Süddeutsche und FAZ ihre Kommentarseiten weitestgehend dicht gemacht haben. Die Leser dürfen sich dort zu transatlantischen Themen schlicht und einfach gar nicht mehr äußern. Wobei dies auch schon zuvor nur unter einer rigiden Vorzensur geschah. Bemerkenswert ist, dass DIE ZEIT noch eine offene Kommentarfunktion zulässt und nur nachträglich und offen sichtbar zensiert. Scheinbar hat man dort verstanden, dass man seine Leser nicht beschimpfen, durch Zensur vergraulen oder für dumm verkaufen sollte, wie das Büchners SPIEGEL derzeit vollkommen schamlos vormacht.

 

Nachtrag:

Alex hat das Massaker im Spiegel-Forum beobachtet und kann die zeitlichen Lücken erklären:


 Ich kann dazu Erhellendes beitragen. Ich habe gestern um 10:00 morgens im Publikumskonferenzforum einen Thread über Odessa aufgemacht:
http://forum.publikumskonferenz.de/viewtopic.php?f=1&t=131

Danach habe ich einen Beitrag im erwähnten Spiegel-Forum eingestellt, der natürlich nicht veröffentlicht wurde. Ich zitiere mal hier aus einem meiner Beiträge aus dem obigen Thread bzgl. SpOn:

“Man beachte auch mal wie hier zunächst nur Anti-Putin-Wortmeldungen zu Wort kommen: http://www.spiegel.de/forum/kultur/ukraine-berichte-internet-aktivisten-werfen-ard-und-zdf-antirussische-propaganda-vor-thread-158614-1.html
Heute morgen um kurz nach 10 Uhr gab es bereits 10 Seiten an Beiträgen, dann waren es wieder 2, im Moment sind es nur 8, davon auch nur 3 freigegeben. Wo sind die anderen Beiträge hin (auch einer von mir mit Link auf diesen Thread wurde wegmoderiert) und warum sind am Anfang nur Anti-Putin-Kommentare zu lesen, hmmmm? Vielleicht weil Statisken ergeben, dass Leser nur die ersten Kommentare lesen und vielleicht noch die letzten, hmm? Oder weil es nun so eine Art Schuldsvermutung gibt? Dass, jeder der nicht stramm auf Anti-Putinkurs ist, ein KGB-Agent sein muss? Armselig! Auch darüber wird in sozialen Netzwerken zu reden sein, das lässt sich nicht so einfach wegmoderieren. Auch Abschaltung der Kommentarfunktion, wie auf faz.net, bringt nix.”

Es wurden also konsequent von den ersten 10 Seiten fast durchgängig nur Anti-Putin-Kommentare durchgelassen (offensichtlich ca. 20% aller anfänglichen Kommentare). Und jeder, der deren Auffassung widerspricht, muss (gemäß Geisteshaltung dieser Kommentatoren) von Putin persönlich beauftragt worden sein.

Warum redet eigentlich niemand von bezahlten Schreiberlingen des Westens?

Alex


quod erat demonstrandum und Danke für die Infos!

Bezahlte Schreiberlinge sind eher unwahrscheinlich, weil das Risiko sehr hoch wäre, dass sowas auffliegt. Außerdem kosten sie Geld, das die Verlage irgendwo hernehmen und auch verbuchen müssten. Sie wären dann auch durch solche Leute erpressbar, die ja an die Öffentlichkeit gehen könnten. Die werden zwar sowas in Erwägung gezogen, dann aber vermutlich davon Abstand genommen haben. Im Augenblick sehen wir unterschiedliche Strategien. Süddeutsche und FAZ lassen erst gar keine Kommentare zu diesen Themen zu. Der Spiegel zensiert sich seine NATO-Welt brachial zurecht und DIE ZEIT ist momentan tatsächlich noch relativ offen.