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Das Establishment zeigt sein anti­demokratisches Gesicht, indem es Trump als „Populisten“ brandmarkt
trump-angryvon                                Übersetzung: FritztheCat

Mit der Etikettierung politischer Führer wie Donald Trump als „Populisten“ und der Behauptung, sie seien eine Gefahr für die Demokratie, zeigt das heutige neoliberale Establishment seine Verachtung für die Demokratie in einer Art und Weise, die zukünftige Umstürze befürchten lässt.

Nach dem Wahlsieg Donald Trumps geht im Westen ein Gespenst um – das Gespenst des Populismus. Alle Mächte des alten Westens haben sich zu einer unheiligen Allianz verbündet, um dieses Gespenst zu verjagen. Das Problem ist, dass uns niemand sagen kann, was dieses Gespenst eigentlich ist, oder ob es überhaupt existiert.Der Wahlsieg Donald Trumps hat eine weitere Flut wütender und besorgter Kommentare produziert, von neoliberalen Autoren, die sich über den drohenden Aufstieg von etwas beschweren, das sie „Populismus“ nennen. Dieser Aufsatz von Timothy Garton Ash im Guardian ist ein gutes Beispiel.

Aber von diesen Artikeln gibt es mittlerweile unzählige. Was all diese Artikel gemeinsam haben: Keiner davon definiert ordentlich den Begriff „Populismus“, aber alle verurteilen dieses Etwas mit Eifer.

Wie sehr dieses Wort jeder Bedeutung entbehrt wird dadurch deutlich, wem alles diese neoliberalen Autoren dieses Etikett anhängen.

Dazu gehören Donald Trump, Marine LePen, Nigel Farage und Viktor Orban, sie alle gehören zu rechten Flügel (unterschiedslos als „rechtsextrem“ bezeichnet); Jeremy Corbyn, Alexis Tsipras, Bernie Sanders und die Podemos-Bewegung in Spanien, sie alle gehören zum linken Flügel (unterschiedslos als „linksextrem“ bezeichnet); während Beppe Grillo in Italien eine eigene Welt bewohnt, schräg und politisch nicht zu definieren. Darum wird selten über ihn geredet.

vermeintlichepopulisten

Zu den anderen politischen Führern, die regelmäßig „Populisten“ genannt werden, gehören Wladimir Putin aus Russland und Recep Tayyip Erdogan aus der Türkei, die man unmöglich in eine übliche Links-Rechts-Schablone pressen kann. Polens Jaroslaw Kaczynski dagegen kombiniert eine sozialistische Wirtschafts- und Wohlfahrtspolitik mit einer stark konservativen Sozial- und Kulturpolitik und einer militant nationalistischen Außenpolitik. Das lässt auch ihn schwer in das konventionelle westliche Links-Rechts-Schema einpassen.

Es gibt nicht nur keine ideologische Einigkeit zwischen diesen Leuten, oft verachten sie sich gegenseitig und sind bei weitem keine politischen Verbündeten.

So kennt man von Tsipras dessen persönliche Abneigung gegenüber Marine LePen (die er noch nie getroffen hat), er hat ihr Angebot für Hilfe während des griechischen Bailouts letztes Jahr verschmäht; Marine LePen wiederum macht kein Hehl aus ihrer Abneigung für den türkischen Präsidenten Erdogan (den sie noch nie getroffen hat); Erdogan hatte letztes Jahr eine schwere Krise mit Putin, obwohl sich die beiden jetzt wieder annähern; und Jeremy Corbyn und Bernie Sanders stehen beide in fundamentaler Opposition zu Donald Trump.

Des weiteren ist Orban ein Freund von Putin , Kaczynski ist Putins Gegner, aber Orban und Kaczynski sind Freunde.

Und trotz der Abwesenheit jeglicher erkennbarer ideologischer Gemeinsamkeiten zwischen diesen Leuten sagen jene, die sie „Populisten“ nennen, sie seien eine „Gefahr für die Demokratie“. Timothy Garton Ashs Artikel ist dafür ein Beispiel. Warum genau das so ist, dafür gibt es kaum eine Erklärung.

Tsipras ist jetzt seit fast zwei Jahren griechischer Ministerpräsident und Orban ist seit fast sechs Jahren ungarischer Ministerpräsident. Trotz der schrecklichen Angstmacherei über beide Länder sind sie immer noch erkennbar Demokratien. Im Falle Griechenlands ist die einzige Volksabstimmung seit Tsipras an die Macht kam und abgelehnt wurde, jene die er selbst in Auftrag gab und die er gewann, die aber auf Druck der EU aufs Abstellgleis geschoben wurde.

Manchmal wird gesagt, die Definition von „Populisten“ sei, dass sie dazu neigen, die Nation zu glorifizieren, Verfassungsänderungen und gesetzliche Reformen durchzuführen um die Exekutivmacht in ihren Ländern zu stärken. Und dass sie gegen Einwanderung seien, was sie angeblich zu Rassisten macht.

All das trifft auch auf den französischen Präsidenten De Gaulle zu. Den hat aber nie jemand einen „Populisten“ genannt, und er war mit Sicherheit kein Rassist.

Darüber hinaus trifft das auch nicht auf einige der Leute zu, die heute „Populisten“ genannt werden. Beispielsweise ist Tsipras von Griechenland ein bekennender Internationalist, der zur Einwanderung einen sehr liberalen Standpunkt hat und ein glühender Anti-Rassist ist. Das gleiche gilt für Jeremy Corbyn in UK und für Bernie Sanders in den USA. Podemos in Spanien will die Exekutivmacht in Spanien nicht ausweiten sondern verringern und ist so weit von einer Verherrlichung des Nationalstaats entfernt, dass man tatsächlich über eine Abspaltung von Katalonien nachdenkt.

Manchmal wird gesagt, „Populisten“ seien gegenüber alternativen Ansichten intolerant und sie würden Abweichungen niederschlagen und sie wollten die Kontrolle über die Medien sobald sie an der Macht seien.

Der unaufhörliche Feldzug des neoliberalen westlichen Establishments gegen Julian Assange, WikiLeaks, Edward Snowden, die russischen Medien, die iranischen Medien und die alternativen Medien (Hillary Clintons ‚alt right‘) machen das Ganze zu einem seltsamen Argument der neoliberalen Autoren.

Einige der als „Populisten“ bezeichneten Politiker, z.B. Jaroslaw Kaczynski, sind gegenüber unabhängigen Stimmen intoleranter als andere Politiker.

Das Ganze ist jedoch eine Frage des Ausmaßes und in keinem der Länder, die von sogenannten „Populisten“ regiert werden, mit Ausnahme der Türkei Erdogans, wurden die Rechte oder die Fähigkeiten zur freien Meinungsäußerung so stark unterdrückt dass es nennenswert wäre. Die unterdrückerischste Regierung in Europa diesbezüglich ist bei weitem (noch mehr als die Türkei Erdogans) die Post-Maidan-Regierung der Ukraine, aber die wird nie „populistisch“ genannt.

Eine weitere verbreitete Behauptung (heute sehr verbreitet in Amerika) ist, dass „Populisten“ soziale Reaktionäre seien, die sich nach einer Rückkehr zu den moralischen und sozialen Gewissheiten der 1950er zurücksehnen, wo Frauen an ihrem Platz zu sein hatten und schwule und lesbische Menschen weggesperrt wurden oder sich verstecken mussten.

Das stimmt vielleicht für Kaczynski in Polen und Orban in Ungarn. Es stimmt sicherlich nicht für Putin in Russland, der ist ein sozial Konservativer der die Dinge so belassen will wie sie sind, aber kein Sozialreaktionär der die Uhren zurückdrehen will. Das genaue Gegenteil ist bei Jeremy Corbyn, Bernie Sanders, Alexis Tsipras und Podemos der Fall, sie alle sind radikal sozial Progressive, wie übrigens auch Marine LePen.

Und schließlich wird manchmal gesagt, die „Populisten“ seien irgendwie für Putin und Russland, oft mit der Behauptung, Putin und Russland würden sie unterstützen und kontrollieren, indem sie ihnen Geld und Öffentlichkeit gäben mit ihrem sogenannten „Propagandakanal“ RT.

Alles was es an „Beweisen“ dafür gibt ist die Behauptung, Marine LePens Partei habe von einer russischen Bank ein Darlehen erhalten. Nachdem sich französische Banken dazu geweigert hatten. In allen anderen Fällen ist es Unsinn. Kaczynski ist Russlands entschlossener Feind und nicht Freund, und vom November letzten Jahres bis zum Juni diesen Jahres war Erdogan ebenfalls Russlands Feind.

Tatsächlich ist die einzige Sache, die sogenannte „Populisten“ gemeinsam haben, dass sie sich alle, wenn auch aus völlig unterschiedlichen Gründen, in Opposition zum neoliberalen politischen und ökonomischen Establishment des Westens nach dem Kalten Krieg befinden.

In einigen Fällen, aber nicht in allen, verbindet sich das mit einer Kritik an der EU, und in manchen Fällen, aber wiederum nicht in allen – Polens Jaroslaw Kaczynski ist dafür ein wichtiges Beispiel – geht das mit einer gewissen Skepsis über die gegenwärtige Kampagne gegen Russland einher.

Die eine Sache die definiert, ob ein Politiker „Populist“ genannt wird oder nicht, ist die Unterstützung oder die Opposition des bestehenden neoliberalen Establishments, und Bernie Sanders ist dafür ein gutes Beispiel.

Während des Wettstreits um die Nominierung bei den Demokraten wurde er als „Populist“ eingestuft, denn er forderte die Kandidatin des Establishments, Hillary Clinton, heraus. Sobald er seine Unterstützung für Hillary Clinton erklärt hatte, wurde er nicht mehr als „Populist“ bezeichnet und wurde stattdessen zu einem Staatsmann.

Die Behauptung, es gäbe so etwas wie „Populismus“ und dass es angeblich eine erschreckende und finstere Welle sei die durch den Westen schwappt, ist Unsinn. Es gibt keine intellektuelle Rechtfertigung für diesen Ausdruck, der eigentlich nichts bedeutet. Wenn überhaupt, dann scheint er Politiker für ihre Popularität zu kritisieren, was in einer Demokratie absurd ist, denn eine Popularität bei den Wählern ist bestimmt das, was Politik in einer Demokratie ausmacht.

Auch wenn der Begriff bedeutungslos ist, so ist er doch schlecht. Jeder Begriff, der als pauschaler Begriff benutzt wird um politische Führer zu brandmarken und zu delegitimieren, weil sie sich aus einer Reihe verschiedener Gründe in Gegnerschaft zum neoliberalen Establishment des Westens befinden, ist per Definition schlecht. Darüber hinaus ist er auf die hinterhältigste Art schlecht, denn er benutzt die Tatsache der Popularität der Opposition zum neoliberalen Establishment gegen diese politischen Führer, um sie als „antidemokratisch“ zu delegitimieren.

Dies zeigt, wo die wahre Gefahr für die Demokratie herkommt: Aus einem neoliberalen Establishment, das jetzt die Demokratie mit der Macht an sich verbindet und das jede Herausforderung seiner Macht als „undemokratisch“ und damit als unzulässig betrachtet, selbst wenn diese (Herausforderung) von einer Mehrheit der Bevölkerung unterstützt wird. Und an dem Punkt wird sie „populistisch“ genannt.

Wo Abraham Lincoln einst von der Demokratie als „Regierung des Volkes, durch das Volk und für das Volk“ sprach, so betrachtet das heutige neoliberale Establishment die Demokratie als Regierung für und durch sich selbst, und wenn die Menschen ihre Macht ablehnen, dann ist das „undemokratisch“ und „populistisch“.

So konnte es passieren, dass der gewaltsame und ungesetzliche Umsturz einer demokratisch gewählten Regierung in der Ukraine 2014 von einem Teil des westlichen neoliberalen Establishments unterstützt und im Westen als „demokratisch“ bezeichnet wird.

Die Tatsache dass das westliche neoliberale Establishment jetzt den Begriff „populistisch“ benutzt, um ihre gegnerischen Politiker im Westen zu beschreiben, wie Jeremy Corbyn und Donald Trump, das zeigt, dass diese gefährliche und zutiefst antidemokratische Haltung jetzt auch zu uns kommt. In Anbetracht dessen kann man sich nur fragen, wie lange es wohl dauern wird, bis im Westen der erste Umsturz stattfindet.