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Dass die rückgrat- und wertelosen Miet­mäuler und Lohn­schreiber der zurecht als »Lügenpresse« bezeichneten Staats- und Konzernmedien mit wahrhaftiger Demokratie nichts zu tun haben, mussten wir hier immer wieder dokumentieren. Auch im Fall des Brexit hetzt die gleich­geschaltete Meute gegen das mehrheitliche Votum der Briten, als ob diese der EU den Krieg erklärt hätten. Man ist sich in den Redaktionen von ARD und ZDF nicht einmal zu blöde, nur Stunden nach einem staatlich organisierten Referendum, das unangefochtene Votum von 17 Millionen zur besten Sendezeit mit einer lachhaften Online-Petition infrage zu stellen.

ARD 24.06.2016 Brennpunkt

Statt feiernde und zufriedene Sieger zeigten die Hauptnachrichten- und Sondersendungen von ARD und ZDF am Donnerstag Abend ausschließlich „schockierte“ Gegner des EU-Ausstiegs, diffamierten die siegreichen Befürworter als überalterte Landeier, verschwiegen dabei weitestgehend, dass die Mehrheit der Jüngeren überhaupt nicht zur Wahl ging und vermittelten der deutschen Öffentlichkeit damit einmal mehr – und wieder einmal mit politischem Vorsatz – ein vollkommen falsches Bild der Realität.

Wer ARD und ZDF einschaltet, muss deshalb immer daran denken, dass er in allen wichtigen Fragen der Politik einseitig und falsch informiert, mit Ansichten und Meinungen der transatlantischen Netzwerker zugemüllt und auf diese Weise manipuliert und auf Linie getrimmt werden soll. Staats- und Konzernmedien agieren nicht als seriöse Quellen, die mündigen Bürgern unvoreingenommen relevante Informationen liefern, damit diese sich eine fundierte Meinung zu den unterschiedlichsten Themen bilden können, sondern als Werkzeuge der Meinungsmache von oben nach unten.

John Pilger ist eine renommierte und unabhängige Stimme abseits des Mainstreams, die ein Gespür dafür vermitteln kann, was viele Briten tatsächlich antrieb, für ein Verlassen der EU zu stimmen. Dass auch er in der Überschrift die EU mit Europa gleichsetzt, sei ihm an dieser Stelle verziehen. Der Dank für die Übersetzung des folgenden Beitrags geht in diesem Fall an jaba.

Wer ebenfalls Lust verspürt, einen interessanten Artikel aus dem Englischen oder anderen Sprachen ins Deutsche zu übersetzen, kann seine Übersetzung jederzeit im Propagandamelder einstellen. Counterpunch, Consortiumnews, Intercept und andere spannende Quellen bieten regelmäßig hervorragende Beiträge, die falsche Narrative und politische Propaganda des Mainstreams hinterfragen und entlarven.

von                                                   Übersetzung: jaba

Die Wahl der britischen Mehrheit zum Verlassen der EU war ein Akt reiner Demokratie. Millionen einfacher Leute wehrten sich gegen die Gängelungen, Drohungen und Abweisungen, die mit offener Verachtung ihrer vermeintlich Besseren in den beiden großen Parteien, der Führer der Wirtschafts- und Bankenoligarchie gegen sie gefahren wurden.

Zu einem großen Teil war dies eine Wahl derer, die erzürnt und zermürbt sind von der schieren Arroganz der Apologeten der »Remain«-Kampagne und der Verstümmelung eines sozial gerechten Lebens in Großbritannien. Die letzte Bastion der historischen Reformen von 1945, der National Health Service (Nationaler Gesundheitsdienst), wurde von den Tory- und Labour-gestützten Privatiers dermaßen unterjocht, daß er ums Überleben kämpft.

Eine Vorwarnung kam, als Finanzminister George Osborne – die Leibwerdung sowohl von Britanniens ancient regime als auch der europäischen Bankenmafia – damit drohte, dem Öffentlichen Dienst 30 Mrd. Pfund zu streichen, sollten die Leute falsch abstimmen; eine Erpressung schockierenden Ausmaßes.

Mit unübertrefflichen Zynismus wurde in der Kampagne das Feld der Immigration ausgeschlachtet, nicht nur von populistischen Politikern rechts des Mondes, sondern auch von Labour-Politikern, die in ihrer eigenen »ehrwürdigen« Tradition fischten, dem Rassismus Vorschub zu leisten: einem Symptom für Korruption unten, nicht oben. Der Grund für die Flucht von Millionen aus dem Nahen Osten – zunächst Irak, nun Syrien – sind die Invasionen und das imperialistische Chaos von und mit Britannien, den USA, Frankreich, der EU und der NATO. Zuvor gab es die vorsätzliche Zerstörung Jugoslawiens. Davor gab es den Raub Palästinas und die Auflage Israels.

Der Tropenhelm ist lange abgelegt, aber das Blut wurde nie trocken. Eine dem 19. Jahrhundert gleiche Geringschätzung für Staaten und Völker, abhängig vom Grad ihres kolonialen Nutzens, ist nach wie vor ein Kernstück moderner »Globalisierung«, mit ihrem perversen Sozialismus für die Reichen und Kapitalismus für die Armen, ihrer Freiheit für Kapital und der Verweigerung von Freiheit für die Arbeit, ihrer perfiden Politiker und politisierten Beamten.

All das kam nun heim nach Europa: Leuten wie Tony Blair eine Bereicherung, aber eine Verarmung und Entmachtung von Millionen. Am 23. Juni sagte Britannien: Es reicht.

Die effektivsten Propagandisten des »Europäischen Ideals« waren nicht die Rechtsaußen, sondern eine unerträgliche Patrizierklasse, für die das Vereinte Königreich nur aus Metropolitan London besteht. Ihre führende Angehörige wähnen sich als liberale, erleuchtete, kultivierte Volkstribunen eines Zeitgeists des 21. Jahrhunderts, sie finden sich sogar »cool«. Dabei sind sie eine Bourgeoisie mit dem Geschmack eines unersättlichen Konsumenten und mit veralteten Instinkten ihrer eigenen Überlegenheit. In ihrer Hauspostille, dem »Guardian«, keiften sie Tag für Tag gegen jene, die die EU überhaupt nur als fundamental undemokratisch in Betracht zogen, als Quell sozialer Ungerechtigkeit und eines virulenten Extremismus, bekannt als »Neoliberalismus«.

support_Counterpunch508Das Ziel dieses Extremismus ist die Installation einer dauerhaften kapitalistischen Theokratie, die eine Zwei-Drittel-Gesellschaft gewährleistet, derer Mehrheit gespalten und verschuldet ist, angeführt von einer Konzernkaste, während der Rest in permanenter Armut arbeiten muss. Im heutigen Britannien wachsen 63 Prozent der armen Kinder in Familien auf, in denen ein Mitglied arbeitet. Für sie hat die Falle zugeschnappt. Mehr als 600.000 Einwohner von Britanniens zweiter Stadt, Greater Manchester, sind einer Studie zufolge der »Wirkung extremer Armut ausgesetzt« und 1,6 Mio. rutschen ins völlige Elend ab.

Nur wenig dieser sozialen Katastrophe wird in den bourgeoisie-kontrollierten Medien eingestanden, besonders in der Oxbridge-dominierten BBC. Während des Referendum-Wahlkampfes störte praktisch keine sachliche Analyse die klischeeschwangere Hysterie eines EU-Austritts, so als ob Britannien in tödliche Meeresströmungen irgendwo nördlich von Island geschleppt würde.

Am Morgen nach der Wahl begrüßte ein BBC-Hörfunkreporter in seinem Studio Politiker wie alte Kumpel. »Nun,« fragte er »Lord« Peter Mandelson, den blamierten Architekten des Blairismus, »warum wollen diese Leute so dringend raus?« Aber »diese Leute« sind die Mehrheit der Briten.

Der wohlhabende Kriegsverbrecher Tony Blair bleibt ein Held der »europäischen« Klasse Mandelsons, aber dieser Tage dürften nur noch wenige dieser Meinung sein. Der »Guardian« beschrieb Blair einst als »mystisch« und war seinem »Projekt« eines raublustigen Krieges treuergeben. Tags nach der Wahl bot Leitartikler Martin Kettle eine Brecht’sche Lösung für den Mißbrauch der Demokratie durch die Massen: »Wir sind uns wohl darin einig, daß Referenden schlecht für Britannien sind« [Now surely we can agree referendums are bad for Britain], so der Titel seines ganzseitigen Stücks. Das »Wir« war unbenannt, aber zu verstehen — so wie »diese Leute« zu verstehen ist. »Das Referendum verlieh der Politik weniger Legitimität, nicht mehr,«, schrieb Kettle. »Die Schlussfolgerung über Referenden sollte schonungslos sein: Nie wieder.«

Kettle sehnt sich nach einer Art der Schonungslosigkeit, wie sie in Griechenland zu finden ist, einem nunmehr zerstäubten Staat. Dort hatte es ein Referendum gegeben und das Ergebnis wurde ignoriert. Wie die Labour Party in Britannien, sind die Anführer der Syriza-Regierung in Athen das Produkt einer im Überfluss schwimmenden, hochprivilegierten, gebildeten Mittelklasse, gehegt und gepflegt in der Vortäuschung und politischen Heimtücke des Postmodernismus. Mutig nutzte das griechische Volk das Referendum, seiner Regierung aufzutragen, in Brüssel »bessere Bedingungen« gegen einen käuflichen Status quo auszuhandeln, der ihrem Land das Leben nimmt. Sie wurden verraten, so wie auch die Briten verraten worden wären.

Am Freitag wurde Labour-Chef Jeremy Corbyn von der BBC gefragt, ob er dem abtretenden Cameron Tribut zollen wolle, seinem Kumpanen im »Remain«-Lager. Voller Überschwang lobte Corbyn Camerons »Würde«, und bemerkte dessen Rückhalt für die Homo-Ehe und die Entschuldigung gegenüber den Iren für den Bloody Sunday. Nichts sagte er über Camerons Zwiespältigkeit, seine brutale Austeritätspolitik, seine Lügen über den »Schutz« des National Health Service. Auch erinnerte er die Leute nicht an die Kriegstreiberei der Regierung Cameron: die Entsendung britischer Spezialkräfte nach Libyen und britischer Bombenzielerfasser nach Saudi-Arabien unter dem über allem stehenden Wink eines Dritten Weltkriegs.

In der Woche des Referendums bezog sich kein britischer Politiker und – meines Wissens nach – auch kein Journalist auf Wladimir Putins Rede in Sankt Petersburg zum Gedenken des Überfalls Nazideutschlands auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941. Der sowjetische Sieg – auf Kosten von 27 Millionen sowjetischer Leben und der Mehrheit der deutschen Streitkräfte – war der Sieg im Zweiten Weltkrieg.

Putin verglich die wahnsinnige Ansammlung von NATO-Soldaten und -Kriegsgerät an Russlands Westgrenzen mit dem Unternehmen Barbarossa des Dritten Reichs. Die NATO-Übungen in Polen waren die größten seit der Nazi-Invasion. Unternehmen Anakonda simulierte einen Angriff auf Russland, vermutlich mit Atomwaffen. Am Vorabend des Referendums warnte der Generalsekretärsquisling der NATO, Jens Stoltenberg, die Briten, sie gefährdeten »Frieden und Sicherheit«, wenn sie für das Verlassen der EU stimmten. Die Millionen, die ihn und Cameron, Osborne, Corbyn, Obama und den Mann hinter der Bank of England ignorierten, landeten vielleicht, nur vielleicht, einen Etappensieg in Richtung echten Frieden und Demokratie in Europa.

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John_PilgerJohn Pilger (* 9. Oktober 1939 in Sydney, Australien) ist ein australischer Journalist und Dokumentarfilmer. Von 1963 bis 1986 war Pilger Leiter der Auslands­redaktion des „Daily Mirror“. Seitdem arbeitet Pilger als freier Journalist. 1968 war er unmittelbar Zeuge der Er­mor­dung des US-­Senators und demokratischen Prä­si­dent­schafts­kan­didaten Robert F. Kennedy in Los Angeles und vertritt aufgrund seiner Erlebnisse die Ansicht, dass es noch einen weiteren Schützen gegeben habe.[1] Pilger drehte mehr als 50 Filme und hat in seiner Karriere für viele bekannte englischsprachige Zeitungen ge­schrie­ben (z. B. „The Independent“, „The Guardian“ und „The New York Times“). Mit zahllosen Journalismus-Preisen ausgezeichnet, gehört Pilger zu den prominentesten englischsprachigen Journalisten. 2003 erhielt er den Sophie-Preis für seinen besonderen Einsatz für die Menschenrechte. Pilger engagiert sich in der Bewegung „Democracy now!“ und steht auch der Politik Obamas kritisch gegenüber, die seiner Meinung nach das Ziel bisheriger Regierungen der USA einer internationalen Vorherrschaft weiter verfolgt. Er ist Mitglied im vorläufigen Ausschuss der Internationalen Organisation für eine Partizipatorische Gesellschaft [2]. Er wurde im Jahre 2009 mit dem Sydney-Friedenspreis ausgezeichnet. (wikipedia)