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wdrLetzte Woche haben wir hier gezeigt, wie die gleich­geschal­teten Propagandamedien die Ursachen des Terrors in der „Berichterstattung“ über den Anschlag in Brüssel komplett ausgeblendet haben. Auch in den Tagen danach sind Staats- und Konzernmedien voll boulevardesker Emotionalisierung im Hinblick auf die Opfer und einer öffentlich zelebrierten Menschenjagd auf die Täter.

Zu dieser Emotionalisierung kommen die üblichen Forderungen nach mehr Überwachung, besserer Zusammenarbeit der „Sicherheitsbehörden“ und ähnliches Geschwätz, das von den wahren Ursachen des Terrors ablenken und den politischen Kriegsgewinnlern im Inland einen Bonus sichern soll. Die Bürger werden mit Fotos vermeintlicher Täter geradezu vollgespammt, als ob diese Gesichter und Namen auch nur einen Funken Erkenntnis böten oder einen Ansatz, wie man diesen Terror tatsächlich verhindern könnte.

Ein Beispiel für diese gezielte Irreführung der Massen bot am Samstag das Medienmagazin „Töne, Texte, Bilder“ des WDR, das vorgibt, auf einer Metaebene die Arbeit der Medien zu beleuchten, dabei aber nichts anderes im Sinn hat, als diesen Medien im Grunde gute Arbeit mit kleinen lässlichen Mängeln zu bescheinigen. Es ist eine Alibiveranstaltung staatsmedialer Protagonisten, die zu jeglicher Reflexion über die wahre Funktion der Medien unfähig – und vor allem auch unwillig sind.

Den „Umgang der Medien mit dem Terror“ wollte das staatliche Medium WDR angeblich hinterfragen und lieferte dabei nichts anderes, als billige Nabelschau ohne auch nur ansatzweise über den Tellerrand zu schauen. Der Grund ist immer derselbe: dieser Blick würde die eigene Verantwortung für die Ursachen des Terrors offenbaren.

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Schon die Einleitung des Redakteurs Sebastian Sonntag ist auf einem intellektuellen Niveau, das die meisten Schülerzeitungen spielend unterbietet.

„Vielleicht geht Ihnen das auch so: ich erinner mich immer ziemlich genau daran, wo und in welcher Situation ich gewesen bin, wenn schlimme Dinge auf der Welt passieren. Ich weiß zum Beispiel noch genau, wie ich davon erfahren habe, dass Flugzeuge ins World Trade Center geflogen sind oder wo ich war, als bewaffnete Terroristen die Redaktion vom Satiremagazin Charlie Hebdo in Paris gestürmt haben. Solche Ereignisse, die brennen sich in unser Gedächtnis, weil sie uns berühren, weil sie uns vielleicht auch Angst machen. Deshalb ist eine gute Berichterstattung über solche Ereignisse auch so wichtig…“

Dass es die Medien sind, die diese Ereignisse überhaupt erst ins Gedächtnis einbrennen und sie nicht durch eigene Beobachtung oder Miterleben in unsere Wahrnehmung kommen, das kommt dem WDR-Bengel nicht in den Sinn. Dass er sich nur an islamistische Terrorakte erinnert und nicht an ein einziges Massaker westlicher Soldateska im Nahen und Mittleren Osten ist alles andere als verwunderlich. Wo er gerade war, als Bundeswehr-Oberst Klein 140 Menschen in Kundus massakrierte oder die US-unterstützten Saudis ein weiteres Massaker im Jemen anrichteten, daran kann sich Sonntag garantiert nicht erinnern und er ist nicht einmal ansatzweise in der Lage, zu hinterfragen, warum das so ist und was das mit dem Terror in Europa zu tun haben könnte.

Gerade weil er so dumm und zur Selbstreflexion unfähig ist, sitzt Sonntag jetzt beim WDR in Köln und darf so tun, als würde in der Sendung, die er moderiert, die Arbeit der Medien kritisch hinterfragt.

Dass es nicht um Aufklärung, sondern um weitere Verklärung geht, zeigt auch das nun folgende Interview mit dem Kommunikationspsychologen Wolfgang Frindte von der Universität Jena. Frindte ist ein gebranntes Kind, was den Umgang mit den Medien angeht, und trotzdem – oder vielleicht gerade deshalb – ist er nicht in der Lage, im Interview den Blick auf die Ursachen des Terrors zu richten. Stattdessen lobt er „sozusagen“ die Medien und stellt ausgerechnet den WDR als „Qualitätsmedium“ heraus – eine absurde Einschätzung, die nicht nur seine eigene Qualifikation infrage stellt, sondern auch gleich deutlich macht, warum er zum Interview gebeten wurde und nicht ein kritischer und fachlich qualifizierter Experte wie etwa Rainer Mausfeld.

Frindte zur Frage, wie er die Berichterstattung wahrgenommen hat:
„Ich denke, was so die Qualitätsmedien betrifft – da gehört der WDR natürlich dazu – da ist das glaube ich tatsächlich so passiert, wie man sagen kann, so wird normalerweise auch berichtet. In der Reihenfolge, wie sozusagen die Erkenntnisse auch auftreten. Zunächst mal, was ist passiert? Dann, wer ist betroffen? Und dann, sozusagen an dritter Stelle, wer hat was verübt?. Da kann man also gar nicht sagen, da ist etwas in den Vordergrund geschoben worden.“

Bemerkt? Die Frage nach dem WARUM? hat Frindte komplett unter den Teppich gekehrt! Das ist keinesfalls Zufall, denn genau darum geht es sowohl Frindte, als auch dem WDR – das wird im folgenden Teil des Interviews deutlich.

Sonntag: „Welche Rolle haben die Medien überhaupt? Gerade so in den ersten Stunden nach so einem Terroranschlag – vielleicht können wir da kurz drüber reden?“

Frindte: „Ich denke, das ist ja so klassisch zu beobachten gewesen, als der 11.September 2001 passierte, wie die Medien zugeschaltet wurden und wie sozusagen auch die deutschen Medien drangeblieben sind, um die Bevölkerung mit den notwendigen Informationen zu versorgen. Und was Medien und die Medienmacherinnen und -macher nicht abschätzen können ist, welche Wirkungen das bei den einzelnen Gruppierungen hat. Der Franzose Jean Baudrillard, ein zu frühverstorbener, sehr bekannter Soziologe und Philosoph hat kurze Zeit nach dem 11. September die Meinung vertreten, dass die Medien – die Medien im Allgemeinen – Teil des Terrors sind und sie sozusagen mit an dieser Mördermaschine mitdrehen.“

Sonntag: „Das ist ja ein spannender Aspekt tatsächlich, also die Frage habe ich mir auch gestellt, inwiefern die Berichterstattung über Terroranschläge dann zwangsläufig ja auch ein Stück weit die Botschaft dieser Terroristen transportiert. Das ist ja zwangsläufig so.“

Frindte: „Ja. Also da haben dann Kolleginnen und Kollegen von mir – ich teile das nicht – von der Symbiose zwischen Terror und Medien gesprochen. Dass beide sozusagen aufeinander angewiesen sind. Da stimmt nur ein Teil. Natürlich sind die Terroristen – und ist der Terror – auf die Medien angewiesen, weil das ein wichtiger Zweck ihre Vorgehens ist: Angst und Schrecken zu verbreiten, weltweit – oder zumindest auch in der Distanz – dazu brauchen sie die Medien. Auf der anderen Seite können Medien berichten über den Terror wie sie wollen, es ist immer für die Terroristen eine Bestätigung ihrer Existenz und ihres Vorhabens. Wir sprechen dann immer von medialen Gelegenheitsstrukturen. Es ist wieder eine Gelegenheit, um in der Öffentlichkeit Präsenz zu zeigen und zu zeigen: wir sind da und wir sind jetzt sogar noch näher gerückt.“

Sonntag: „Jetzt gab’s ja nach den Anschlägen in Paris viel Kritik für eine zu zögerliche Berichterstattung. Die ARD zum Beispiel hat sich jetzt relativ spät dazu entschieden auf ’ne Sondersendung umzuschalten und für viele zu lang das Fußballspiel aus Paris übertragen. Haben die Medien am Dienstag schneller oder besser reagiert?“

Frindte: „Also so auf den ersten Blick würde ich sagen ja. Rundfunk und Fernsehen haben schnell reagiert, haben ausführlicher reagiert und haben auch gleichzeitig auch die Fragen aufgeworfen, die sie noch nicht selbst beantworten können. Also beispielsweise: wie ist das mit den Opfern? Wer ist unter den Opfern? Wie ist das mit den möglichen Tätern? Das wurde sehr differenziert und auch, glaube ich, mit Distanz dargestellt. Aber es wurde auch sehr schnell ausführlich berichtet. Ich glaube, da haben – wenn ich wieder von den klassischen Medien rede, wissen Sie, was ich meine, ich meine jetzt nicht die social media, da haben also die klassischen Medien sehr schnell und sehr professionell gearbeitet.“

Dass man einem Selbstmordbomber nachsagt, er handele um der Aufmerksamkeit willen, ist nicht nur außerordentlich dämlich, es soll auch ganz bewusst in die Irre führen und von den wahren Motiven ablenken. Dazu muss man sich klar sein, dass selbst die Terroristen nicht unbedingt in der Lage sind, die wahren Motive ihres Handelns zu hinterfragen oder druckfertig in Worte zu fassen. Wenn ein in Deutschland geborener, konvertierter Islamist Jürgen Todenhöfer im Irak ein Interview gibt, in welchem er erklärt, dass der IS ganz Europa heimsuchen werde, um sein Kalifat zu verbreiten, dann muss man das Geschwätz dieses Menschen als Folge seines politischen, religiösen und persönlichen Wahns begreifen, wenn man wirklich verstehen will, was ihn antreibt.

Wie wir alle, sind auch Terroristen Produkte ihrer Sozialisation und dazu gehört eine politische Empörung, die zu politischem Handeln motiviert, genauso, wie persönliche Ohnmacht, die Gewalt als einzigen Ausweg erscheinen lässt. Wer sich öffentlich in die Luft sprengt, der tut dies natürlich nicht zur „Bestätigung seiner Existenz“, wie Frindte im Interview glauben machen will, sondern er tut dies aus Empörung, Verzweiflung und Auswegslosigkeit und weil er glaubt, damit seinen politischen Zielen dienlich zu sein.

Dass der islamistische Terror hauptsächlich politische Gründe hat – und nicht religiöse – kann man spätestens seit 911 wissen. Es leuchtet wohl jedem ein, dass es kein Zufall ist, dass sich beispielsweise in den 80er Jahren keine Islamisten in Brüssel in die Luft gesprengt oder Redaktionen von Satire-Zeitschriften heimgesucht haben. Dazu waren militärische Interventionen des Westens in den islamischen Staaten nötig. Nicht Saudi-Arabien, Irak, Libyen, Pakistan oder Afghanistan sind in Großbritannien, den USA, Frankreich oder Belgien einmarschiert, sondern es war bekanntlich genau umgekehrt. Diese politischen Gründe aber, die die wahren Ursachen des Terrors darstellen, will die westliche Propaganda aus der öffentlichen Wahrnehmung verschwinden lassen. Es gilt, die Täter als „selbst radikalisierte“ Fanatiker darzustellen, deren Motivation nicht aus westlichen Verbrechen stammt, sondern auf trostlosen Existenzen in europäischen Ghettos basiert. Letzteres ist ein Katalysator, aber keine Ursache.

Frindte dient hier im Interview dazu, diese wahren Ursachen des Terrors aus dem Blick zu nehmen und obendrein eine pseudowissenschaftliche Rechtfertigung für diese Methode der Desinformation zu liefern: Die Terroristen sind einfach böse und Medien dürfen sich nicht zu ihrem Spielball machen – so die Botschaft. Dass auf diese Weise das Terrorproblem so wenig gelöst wird, wie durch mehr Überwachung und weiterem Abbau von Bürgerrechten, dürfte hingegen jedem halbwegs gebildeten Beobachter einleuchten, der sich nicht nur in transatlantisch eingebetteten Propagandaanstalten wie dem WDR „informiert“.