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3sat_logoWas für ein Abend gestern auf 3sat!

Um 20.15 Uhr sendete der Gemeinschaftskanal von ARD, ZDF, ORF und SRF ein Machwerk, das man nicht als Dokumentation bezeichnen kann. Es dokumentiert bestenfalls die beschränkte Welt eines überforderten Möchtegern-Journalisten, der offenbar nicht ansatzweise reflektieren kann, wie sehr er selbst durch Propaganda durchdrungen ist und wie er Propaganda verbreitet. „Ukraina“ (Mediathek, Download) ist ein tendenziöses Machwerk, dass man nur unter Schmerzen bis zu Ende ertragen kann.

Umso wundervoller kontrastierte anschließend eine wahrhaft menschliche, informative, neugierige und in höchstem Maße bewegende Dokumentation das Leben zweier Schweizer Staatsbürger, die vor Jahren nach Russland ausgewandert sind. Der Gegensatz könnte kaum größer sein. Zugegeben, der Titel „Leben in Putins Reich“ (youtube) ist unglücklich, aber was die Autorin Helen Stehli Pfister in Russland und der Schweiz beobachtete und in diesen Film packte, ist wirklich besonders sehenswert und kann und muss hier ausdrücklich empfohlen werden.

Beide Filme gemeinsam stehen für zwei mögliche Zukunftsperspektiven Europas: Hetze, Spalterei und Krieg gegen Völkerverständigung, Einsicht und Kooperation.

Ukraina

Christof Franzen

Das Machwerk des Schweizers Christof Franzen beginnt mit dem durch Granatenbeschuss verursachten Tod der 63-jährigen Claudia in der Ostukraine. „Vor einem Jahr war für mich die Ukraine noch ein Land der Hoffnung. Heute ist vieles anders.“, sagt der Autor und bezieht schon damit gleich zu Beginn eine politische Position. „Hoffnung?“ – Schon im Februar war Kiew von der Gewalt des Maidans gezeichnet. Was sollte daraus erwachsen? Blühende Landschaften?

Franzen springt ein Jahr zurück und präsentiert seinen Protagonisten Oleksij, den er die kommenden Monate begleitet hat. Als „Maidan-Demonstrant“ wird Oleksij vorgestellt. Ein „Demonstrant“ in deutschem Bundeswehr-Flecktarn mit Camouflage im Gesicht und Körperpanzer. Ein echter EU-Demokrat offensichtlich, wie man ihn Martin Schulz, Angela Merkel oder dem grünen Abschaum von der „Böll-Stiftung“ vor die Haustüre wünschen würde. Später zieht er als Teil eines faschistischen Bataillons in die Ostukraine um seine früheren Landsleute zu ermorden und mit diesem Nimbus des Soldaten bei den Wahlen zur Rada Werbung für sich zu machen.

Franzen ist zu dumm, um zu reflektieren, dass er hier bereits den Geburtsfehler der ukrainischen „Revolution“ dokumentiert. Die Gewalt, die auf dem Maidan gesät wurde, ist der Beginn des Spatpilzes, der die Ukraine in zwei Teile trennen wird und bis heute wohl 50.000 oder mehr Tote und Millionen Vertriebene oder Obdachlose verursacht hat.

Franzen präsentiert die sattsam bekannte, dümmlich-naive Propagandageschichte der westlichen Lügenpresse, wenn er an dieser Stelle 3 Monate zurück springt und Janukowitschs „Nein“ zum Freihandelsabkommen mit der EU, als Ursache für die Gewalt auf dem Maidan ausmacht:

Franzen:Er [Janukowitsch] gibt damit dem Druck von Vladimir Putin nach. Der russische Präsident hatte der Ukraine mit einer Handelsblockade gedroht, aber auch Finanzhilfen in Milliardenhöhe versprochen.“

Selbstverständlich ist es dann auch Janukowitsch, von dem die Gewalt auf dem Maidan ausgeht und die armen Demokraten leisten nur Notwehr. Sie hatten ja keine andere Wahl.

Franzen:Als Folge davon, versammelten sich radikale Demonstranten auf dem Maidan. Unter ihnen auch Bewaffnete. Am 18. Februar beginnt die Polizei mit der Räumung des Platzes. Die Situation eskaliert. Zwei Tage später schießen Scharfschützen auf die Demonstranten. Viele Hintergründe sind noch unklar, aber die Regierung steht am Pranger.“

Ukraine2Oleksij zusammen mit einem Kumpan – ebenfalls in deutscher Bundeswehrkluft: „Das ist kein Bürgerkrieg. Hier schießen nicht Brüder auf Brüder. Hier tötet die Polizei ihre eigenen Bürger.“

Franzen:Nach diesem Drama beugt sich Janukowitsch dem internationalen Druck. Und er verspricht Neuwahlen. Dann aber flüchtet er nach Russland. Auf Druck der Straße oder fallengelassen von seinen Sicherheitskräften? Diese Frage bleibt offen.“

Diese Frage bleibt offen“, wie viele andere unbequeme Fakten auch offen bleiben oder einfach verschwiegen werden in diesem Machwerk, das die entscheidenden Tage in Kiew auf ein für westliche Medienopfer verdauliches Kindergartenniveau herunter bricht. Was für ein Selbstverständnis hat ein Demonstrant in militanter Uniform, mit deutscher Flagge, der von sich behauptet, sein Großvater habe gegen die Deutschen gekämpft und der sich nun dem faschistoiden Bataillon eines Oligarchen anschließt? Warum wird er nicht danach gefragt – oder besser, warum werden die Antworten nicht gesendet, denn dass Autor Franzen nach den deutschen Flaggen gefragt hat, dürfte wohl klar sein.

Es bleibt auf diesem unterirdischen Niveau, das zu dokumentieren körperlichen Abscheu hervorruft – immerhin geht es hier nicht nur um Hundert, sondern um mittlerweile Zigtausend Tote. Diese Opfer verdienen mehr Respekt und Würde, als dass man ihren Tod mit einem derartig dummen Film auch noch verhöhnt.

Wer die Nerven hat, soll sich das ruhig zu Ende anschauen. Der Film dient immerhin noch als abschreckendes Beispiel für primitive Propaganda und Volksverdummung, wie sie für gewaltsame Entwicklungen (Freund-Feind, Gut-Böse, Schwarz-Weiss) ursächlich ist. Noch eine Kostprobe? Festhalten!

Als sich aufgebrachte Bürger in der Ostukraine den anrollenden Kiewer Panzern mit nichts als ihren bloßen Händen und eindringlichen Bitten, den Krieg zu beenden, gegenüberstellen, kommentiert Franzen:

Ukraine3Franzen: „Die ukrainische Übergangsregierung schickt die Armee in den Donbass. Diese ist in einem desolaten Zustand. Im Umgang mit ihren pro-russischen Landsleuten sind die kurzfristig aufgebotenen Soldaten überfordert…

Es wird einem wirklich schlecht, wenn man sich das Geschwätz dieses Soziopathen anhört und dabei die Bilder der mutigen Bürger sieht. Danach präsentiert er den Hubschrauberangriff der ukrainischen Armee auf die eigenen Truppen, den wir hier im Blog wegen der damals verbreiteten Lügengeschichte in den deutschen Medien abgehandelt hatten. Für Franzen ist das nur ein Zeichen für die desolate Armee und Grund für die Aufstellung der faschistoiden Bataillone:

Ukraine4Franzen:„…Das war die Stunde der ukrainischen Freiwilligenbataillone. Verbände nationalistischer Kämpfer, von denen viele schon ihren Durchhaltewillen auf dem Maidan gezeigt hatten. Hier treffe ich Oleksij wieder. Der Familienvater und Kleinunternehmer ist aus seiner Heimatstadt Nowowolynsk angereist, die über 1000 Kilometer westlich an der polnischen Grenze liegt“

Achtung! Wem jetzt noch nicht schlecht geworden ist, der wird hier bedient:

Franzen: „Der Instruktor – ein Afghanistanveteran – erklärt, wie man Scharfschützen beseitigt:“

Ukraine5Instruktor:Vielleicht sitzt der Scharfschütze in einem Kindergarten, wo es noch Kinder und Erwachsene gibt. Dann überlegt euch nicht, zehn Mann einzusetzen und ihn da sogar noch lebend rauszuholen! Nehmt einen Minenwerfer! Schießt los und macht diesen Kerl fertig! So ist der Krieg. ihr könnt nicht in weißen Handschuhen für Ordnung sorgen.“

Noch Fragen? Schwer auszuhalten das Ganze. Deshalb ist hier auch Schluss.


SRF_Leben_in_Russland

Wenden wir uns dem wunderbaren Film von Helen Stehli Pfister zu. Wer die Kraft hatte, am TV zu bleiben, wurde reichlich belohnt. Wer ein weiteres Machwerk befürchtete, wurde mehr als positiv überrascht. Der Film ist eine Perle der Völkerverständigung und ein würdiger Kontrapunkt zu Franzens hass-, gewalt- und kriegsrelativierender Propaganda.

Es ist bezeichnend, dass dieser großartige Film nicht in der Mediathek zu finden ist. Es gibt lediglich die Originalversion auf youtube, die mit entzückendem Schwizerdütsch aufwartet, was allerdings für hochdeutsche Ohren mitunter schwer verständlich ist.

NACHTRAG: Tobi M. hat die in 3sat ausgestrahlte Version mit den deutschen Übersetzungen der Schwizerdütsch-Passagen des Films auf youtube eingestellt.

Pfister erzählt die Geschichte zweier grundsympathischer Schweizer, die vor Jahren nach Russland gingen, weil sie neue Herausforderungen und Entwicklungsmöglichkeiten suchten, die ihnen die kleine Schweiz nicht bieten konnte. Aufgeschlossen für das Land und seine Menschen, haben beide dort sowohl beruflich, als auch privat ihr Glück gefunden und halfen gleichzeitig kräftig mit, das zerrüttete Land nach dem Chaos und der Rechtlosigkeit der Jelzin-Zeit wieder aufzubauen.

„Ich möchte ergründen, wie die Menschen in Russland leben“

Das sagt die Autorin schon ganz zu Beginn und sie tut genau das, so offen und weitestgehend unvoreingenommen, bzw selbstreflektiert, dass daraus ein wunderbarer Film entstanden ist, der beispielhaft zeigt, wie Völker und Nationen miteinander umgehen sollten. Es ist einer der vielen Höhepunkte des Films, dass sich die Autorin an einem Punkt selbst eingestehen muss, dass ihr Bild, das sie von Russland hatte, stark von westlicher Propaganda geprägt ist.

HansMichelSie macht uns zuerst bekannt mit Hans Michel, einem so bodenständigen, wie hart arbeitenden Schweizer Landwirt, der seit 10 Jahren in der russischen Provinz lebt und heute mehr Land beackert, als er in der Schweiz jemals hätte kaufen oder pachten können. Ein grundsolider, bodenständiger und herzensguter Mensch, der die eigene Scholle verlassen hat, weil er sich weiter entwickeln wollte und in Russland sein Glück gefunden hat.

JörgDussDer zweite sympathische Schweizer, der seit Jahren in Moskau lebt und dort seine eigene erfolgreiche Tischlerei und Hoztechnik-Firma betreibt, ist Jörg Duss. Er stellt u.a. exklusivste Innenausbauten für milliardenschwere russische Oligarchen her und ist sich nicht zu schade oder abgehoben, einer russischen Rentnerin vor dem Winter Unmengen an Holz vor der Hütte abzuladen, damit diese etwas zu heizen hat.

Es wäre unangemessen, zu versuchen, diesen wunderbaren Film in einzelne Episoden zu zerstückeln, um diese dann hier mit holprigen Worten nachzuerzählen. Es gibt herzzerreissende Szenen liebenswerter Großmütter, die vom Zweiten Weltkrieg bis heute vermutlich ein wechselhaftes Leben durchgemacht haben, das HansMichel1für regalfüllende Romane geeignet wäre. Die Einschulung von Michels Sohn ist ähnlich bewegend. Wer angesichts der Geschichten – vor allem mit den Hintergründen der Vorgänge in der Ukraine – keine Träne verdrückt, der ist kein Mensch.

Natürlich geht es auch um Politik. Die wird nicht ausgespart. Es ist aufschlussreich, was die Russen im privaten oder beruflichen Umfeld der beiden Schweiz-Russen denken und erzählen. Sie wissen genau, was sie Putin zu verdanken haben und nehmen kein Blatt vor dem Mund.

Zur Berichterstattung in den russischen Medien sagt Autorin Pfister:

„Die Berichterstattung erlebe ich als unerträglich einseitig. Aber nach all den Gesprächen beginne ich, meine eigene Sicht – und jene unserer Medien – zu hinterfragen. Immer mehr wird mir bewusst, dass auch das Schwergewicht unserer Berichterstattung aus einer bestimmten Perspektive erfolgt und geprägt ist, von unseren westlichen Werten und Interessen…

Nach all den widersprüchlichen Eindrücken auf dieser Reise, glaube ich, das heutige Russland etwas besser zu verstehen.“

Fazit:
Was für ein wundervoller Film! Was für ein Kontrapunkt zu Hetze und Propaganda!

Prädikat: Muss man gesehen haben!