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ard_logoWegen der gegen türkische Politiker verhängten Auftrittsverbote in Deutschland, die fadenscheinheilig mit „Sicherheitsbedenken“ begründet wurden, als ob die AKP oder ihre Anhänger eine Bande Hooligans wären, sprach Präsident Erdogan gestern mit Blick auf Deutschland von „Nazi-Methoden“. Abends bei „Anne Will“ gab man sich empört, aber die totale Einseitigkeit der Gästerunde ohne einen einzigen AKP-Vertreter oder „Erdogan-Versteher“ bewies einmal mehr, wie es um das „Demokratie­verständnis“ hierzulande bestellt ist.

Krise zwischen Berlin und Ankara - Wie umgehen mit Erdoğans Türkei?

ARD „Anne Will“ 05.03.2017„Krise zwischen Berlin und Ankara – Wie umgehen mit Erdoğans Türkei?“ – Kein einziger Vertreter von AKP oder türkischer Regierung

Was deutsche Politiker und ihre Medien unter „Demokratie“ verstehen, ist dehnbar wie Kaugummi. Da das Volk in Deutschland bekanntlich – von regionalem Gedöns abgesehen – nichts zu bestimmen hat, wurde der „Demokratie“-Begriff in den letzten Jahren bis zur Unkenntlichkeit ausgehöhlt und verzerrt.

„Demokratie“ im Deutschland des Jahres 2017 ist, wenn schrille Travestiten für ihren Auftritt bei einer Operetteninszenierung mit dem Titel „Bundes­präsi­denten­wahl“ gefeiert werden, bei der der „Wahlsieger“ lange zuvor in den Hinterzimmern der Macht ausgekungelt wurde. Es ist eine abgeschmackte Show, die totale Infanti­lisierung und medial vorangetriebene Verblödung eines Volkes, das eins drüber bekommt, wenn es das Maul aufmacht und schlucken soll, was Politik und Medien­huren ihm im Chor eintrichtern. Und wenn es trotz umfassender Hirnwäsche einer immer mehr an Einfluss verlierenden Riege gekaufter Journalisten nicht willig ist, dann regiert man halt ganz schamlos gegen das Volk und erklärt den Pöbel zum Problem.

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Die „Wahl“ des Bundespräsidenten als Travestienummer. Der Zirkus soll davon ablenken, dass die Inthronisierung Steinmeiers nicht das Geringste mit Demokratie zu tun hat.

Die aktuellen Zustände in der Türkei sind vielleicht schlechter, allerdings hat diese gerade einen gewaltsamen Putsch erlebt und niemand kann sich vorstellen, was in Deutschland in einer vergleichbaren Situation los wäre, wenn etwa AFD-nahe Kreise nach Merkels Grenzöffnung versucht hätten, die Macht vorübergehend an sich zu reißen, um die im Parteiprogramm festgelegte Forderung nach direkter Demokratie mit Waffengewalt durchzusetzen. Ein Plot für einen spannenden Roman – Ende offen.

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Der Putschversuch im Juli 2016 mit über 250 Toten wird in den deutschen Medien von Anfang an als Lappalie dargestellt. Kaum ein Deutscher kann oder will nachvollziehen, was dieser Tag für das Land bis heute bedeutet.

Wenn der Staatssender ARD am Sonntag Abend zu einer Runde „Wir sind die Guten“ einlädt, um – nach Afghanistan, Irak, Syrien, Putin und Trump – mit den stinkenden und blutigen Fingern Richtung Erdogan zu zeigen, dann geht es – wie immer – nicht um Aufklärung, Vermittlung oder Völkerverständnis, sondern einmal mehr um Meinungsmache, Agitation, Feindbildung und vor allem Selbst­beweih­räucherung.

Das Thema diskutieren Ilkay Yücel, Heiko Maas, Can Dündar, Günter Verheugen, Sevim Dağdelen und Armin Laschet. | mehr

Die Gäste: Ilkay Yücel, Heiko Maas, Can Dündar, Günter Verheugen, Sevim Dağdelen und Armin Laschet.

Dass man hierzu nicht einen einzigen AKP-Politiker, kein Mitglied der türkischen Regierung, des diplomatischen Corps oder einen regierungsfreundlichen Journalisten eingeladen hatte, die in der Lage gewesen wären, die Position der türkischen Regierung zu erläutern, ist ein formaler Beweis, dass Erdogan mit seinem zugespitzten Vorwurf der „Nazi-Methoden“ durchaus richtig liegt. Hinter diesen Propagandamethoden steckt auch die Angst, deutsche Bürger könnten Verständnis für die Position Erdogans entwickeln.

Dabei ist es unerheblich, ob der „Nazi“-Vorwurf angesichts Erdogans eigener Methoden – die in der deutschen Lügenpresse ganz sicher nicht wahrheitsgemäß dargestellt werden – scheinheilig ist, denn deutsche Politik hat sich nicht an der Türkei zu messen, sondern an den politischen Werten, die man lauthals vor sich herträgt und gleichzeitig bis zur Unkenntlichkeit verwässert hat.

Was in der medial geschürten Hysterie gerne verschwiegen wird: Erst vor wenigen Wochen hatte Luxemburgs Außenminister Asselborn dem türkischen Präsidenten Erdogan vorgeworfen „Nazi-Methoden“ zu verwenden und wurde daraufhin von der ARD „als Freund deutlicher Worte“ gelobt.

Am 16. April findet in der Türkei eine Volksabstimmung über die Verfas­sungs­reform zur Umwandlung des Landes in ein Präsidial­system statt. Der Ausgang ist noch völlig offen. Deutsche Bürger wurden weder jemals zur Verfassung, zur EU, zum Euro, zur Wieder­vereinigung, in Fragen von Krieg und Frieden, geschweige denn zu anderen tief­greifenden Entscheidungen wie Hartz4 oder CETA befragt. Das sollte man immer bedenken, bevor man mit dem Finger auf die türkische Variante von „Demokratie“ zeigt.