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Radikaler Jesus: Wie würde es heute im amerikanischen Polizeistaat dem Kind in der Krippe ergehen?

von John W. Whitehead                                Übersetzung: FritztheCat

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Jesus überwältigt uns. Das spätere Zurecht­biegen der Evangelien durch die Kirche ist nur der andau­ern­de Versuch, Jesus vor ‚Extremismus‘ zu bewahren

Autor Gary Wills, „What Jesus Meant“ (Was Jesus bedeutete)

Jesus war gut. Er war sozial engagiert. Er sagte wirkmächtige und grundlegende Dinge – Dinge, die unsere Sicht auf die Menschen veränderten sollten; die die Regierungspolitik verändern sollte; die die Welt umkrempeln würden. Auf seinen Wegen half er den Armen. Und wenn er es mit Autoritäten zu tun bekam, dann scheute er sich nicht, den Mächtigen die Wahrheit zu sagen.

Jesus wurde in einem Polizeistaat geboren, der sich kaum von der wachsenden Bedrohung des amerikanischen Polizeistaats unterscheidet.

Aber was wäre, wenn Jesus, dieser verehrte Prediger, Lehrer, Radikale und Vorhersager, 2.000 Jahre später geboren worden wäre? Wie hätte sich das Leben des Jesus unterschieden, wenn er im amerikanischen Polizeistaat geboren und aufgewachsen wäre?

Stellen Sie sich bitte Folgendes vor, wenn Sie möchten.

Das Weihnachtsmärchen von der Geburt in der Krippe ist allseits bekannt.

Das Römische Imperium, wahrlich ein Polizeistaat, hatte eine Volkszählung angeordnet. Joseph und seine schwangere Frau Maria wanderten für die Volkszählung in die Kleinstadt Bethlehem. In keiner Pension gab es einen Platz für die Zwei, darum übernachteten sie in einem Stall und dort gebar Maria ihren Jungen. Jesus, dieser Junge, wird als Erwachsener das politische und religiöse Establishment seiner Tage untergraben und später am Kreuz enden, als Warnung an andere, sich nicht mit den Mächtigen anzulegen.

Wenn Jesus jedoch im Jahre 2016 geboren würde…

dann müssten seine Eltern nicht nach Bethlehem reisen. Stattdessen bekämen sie von ihrer Gemeindeverwaltung eine E-Mail mit 28 Seiten zugeschickt, eine vorgeschriebene Umfrage der Regierung, die nach den Gewohnheiten fragt, nach der Zahl der Personen je Haushalt, nach der Arbeitszeiteinteilung, wie viele Toiletten die Wohnung hat usw. Die Strafe für eine Nichtteilnahme an dieser Umfrage kann bis zu 5.000 Dollar betragen.

Anstatt in einer Krippe wäre Jesus vielleicht zuhause auf die Welt gekommen. Aber dann kommen auch keine Weisen und Hirten mit Geschenken, sondern dann haben es die Eltern mit lästigen Sozialarbeitern zu tun, die sie wegen einer Hausgeburt anzeigen wollen. Einem Paar in Washington hat man alle drei Kinder weggenommen, nachdem die Sozialdienste wegen der Geburt der zwei Jüngsten in einer unbegleiteten Hausgeburt Beschwerde eingelegt hatten.

Wäre Jesus in einem Krankenhaus zur Welt gekommen, dann wären sein Blut und seine DNA ohne Wissen oder Zustimmung der Eltern in einer Biodatenbank der Regierung verschwunden. Die meisten Staaten schreiben das Screening von Neugeborenen schon vor, und eine wachsende Anzahl bewahrt das genetische Material für lange Zeit zu wissenschaftlichen und analytischen Zwecken auf. Und zu Zwecken, die wir wohl erst noch erfahren werden.

Wenn jetzt seine Eltern Einwanderer ohne Dokumente wären, dann würden sie und ihr Säugling vielleicht in ein profitorientiertes Privatgefängnis für Illegale gesteckt. Dort würden sie zu billigen Zwangsarbeitern für Konzerne wie Starbucks, Microsoft, Walmart und Victoria’s Secret gemacht. Mit der Inhaftierung von Einwanderern lässt sich ordentlich Geld verdienen, besonders wenn die Steuerzahler die Rechnung begleichen dürfen.

Ab seinem Schulalter würde Jesus darauf getrimmt, den Autoritäten der Regierung zu folgen und gehorsam zu sein. Über seine eigenen Rechte wird er wenig erfahren. Würde er es in der Schule wagen, sich über Ungerechtigkeit zu beschweren, dann würde er vielleicht von einem Schul-Hilfspolizisten getasert oder geschlagen werden. Zumindest würde er von der Schule verwiesen, aufgrund einer Null-Toleranz-Schulpolitik, die kleinere Vergehen genau so schlimm bestraft wie ernsthaftere.

Wäre Jesus als 12-Jähriger für ein paar Stunden (geschweige denn Tage) verschwunden, dann würden seine Eltern in Handschellen verhaftet und eingesperrt, wegen „Vernachlässigung der elterlichen Aufsichtspflicht“. Es wurden im gesamten Land schon Eltern wegen weit geringerer „Vergehen“ festgenommen, weil sie z.B. ihrem Kind erlaubt hatten, allein zum Kinderspielplatz zu gehen oder weil sie alleine auf dem Vorhof spielten.

Anstatt aus den Geschichtsbüchern zu verschwinden, würden die persönlichen Daten und Bewegungsprofile von seiner frühen Jugend bis zum Erwachsenenalter – inklusive seiner biometrischen Daten – durch Regierungsbehörden und Firmen wie Google und Microsoft dokumentiert, nachverfolgt, beobachtet und aufbewahrt. Kaum zu glauben, 95% aller Schulbezirke teilen die Aufzeichnungen ihrer Schüler mit Fremdfirmen, die als Verwalter der Daten arbeiten. Und diese Daten werden benutzt um uns Produkte aufzuschwatzen.

Von dem Moment an, wo sich Jesus mit einem „Extremisten“ wie Johannes dem Täufer trifft, wäre er für eine Überwachung markiert. Wegen Verbindungen zu einem bekannten Aktivisten, friedlich oder nicht. Seit 9/11 führt das FBI aktiv Überwachung und Informationssammlung über eine breite Palette von Aktivistengruppen durch, von Tierschutzgruppen zu Rechtshilfegruppen für Arme, Anti-Kriegs Gruppen und anderen „extremistischen“ Gruppen.

Die regierungskritischen Ansichten von Jesus hätten sicher dazu geführt, dass er als ein einheimischer Extremist bezeichnet würde. Die Gesetzeshüter werden darauf trainiert, Anzeichen von regierungskritischem Extremismus bei einer Konfrontation mit möglichen Extremisten zu erkennen. Wenn man zum Beispiel „glaubt, dass ein Zusammenbruch der Regierung und der Wirtschaft bevorsteht.

Und während er von Gemeinde zu Gemeinde reist, wird Jesus wahrscheinlich als „verdächtig“ an Regierungsbehörden gemeldet, ganz nach dem Motto des Department of Homeland Security: „Wenn du etwas siehst, dann sage es.“ Zahlreiche Staaten, darunter New York, stellen Handy-Apps zur Verfügung, mit denen man verdächtige Aktivitäten fotografieren und sie an die Geheimdienstzentrale des Bundesstaats schicken kann, wo sie ausgewertet und an Gesetzeshüter weitergeben werden.

Statt einfach als Wanderprediger leben zu können, würde Jesus eine Inhaftierung angedroht, weil er es wagt, abgekoppelt zu leben und draußen zu übernachten. In der Tat hat sich die Anzahl der Städte verdoppelt, die dazu übergehen Obdachlose zu kriminalisieren, durch ein Verbot des Zeltens, dem Übernachten in Fahrzeugen, dem Rumhängen und Betteln in der Öffentlichkeit.

Indem er von der Regierung als Dissident und mögliche Gefahr angesehen wird, könnte Jesus unter seinen Fans Regierungsspione haben um seine Aktivitäten zu überwachen, über seine Schritte zu berichten und ihn in Gesetzesverstöße zu verwickeln. Heute bekommen solche Judasse – Informanten genannt – für ihren Verrat oft großzügige Gehaltsschecks der Regierung.

Wenn Jesus zur Verbreitung seiner radikalen Botschaften über Frieden und Liebe das Internet benutzen würde, dann wären seine Blogeinträge von Regierungsspionen infiltriert, um seine Integrität zu untergraben, ihn zu diskreditieren oder im Internet belastende Informationen über ihn abzulegen. Zumindest würde seine Webseite gehackt und seine E-Mails mitgelesen.

Wenn Jesus große Mengen von Menschen mit Lebensmitteln versorgen würde, dann würde ihm eine Inhaftierung angedroht, weil er gegen verschiedene Vorschriften über die Verteilung von Nahrungsmitteln ohne Erlaubnis verstoßen hätte. Beamte in Florida haben einen 90-jährigen Mann verhaftet, weil er an einem öffentlichen Strand Essen an Obdachlose verteilte.

Hätte Jesus in der Öffentlichkeit über seine 40 Tage in der Wüste und seine Begegnung mit dem Teufel gesprochen, dann wäre er vielleicht für geisteskrank erklärt und in einer psychiatrischen Klinik verwahrt worden. Gegen seinen Willen, aufgrund einer Zwangsunterbringung in der Psychiatrie, ohne Zugang zu seiner Familie oder Freunden. In Virginia wurde ein Mann festgenommen, bis auf die Unterhose durchsucht und an einen Tisch gefesselt. Diagnose: „psychische Gesundheitsprobleme“. Dann hat man ihn gegen seinen Willen fünf Tage in einer psychiatrischen Klinik weggesperrt, angeblich weil er nuschelte und beim Gehen schwankte.

Hätte Jesus in einem jüdischen Tempel die Tische umgeworfen und gegen den Materialismus religiöser Institutionen gewütet, dann hätte man ihn ohne Zweifel für ein Hassverbrechen angeklagt. Gegenwärtig bereiten 45 Staaten und die Bundesregierung Gesetze gegen Hassverbrechen vor.

Und Jesus wäre nicht von bewaffneten Wächtern auf einem Platz festgenommen worden. Regierungsbeamte hätten den Einsatz eines SWAT-Teams auf Jesus und seine Jünger angeordnet, komplett mit Blendgranaten und militärischer Ausrüstung. Jedes Jahr finden mehr als 80.000 Einsätze von SWAT-Teams statt, viel auf unbescholtene Bürger, die sich gegen diese Eindringlinge der Regierung nicht wehren können, selbst wenn der Einsatz versehentlich geschah.

Anstatt von römischen Garden festgenommen zu werden, wäre Jesus vielleicht in einem Inhaftierungslager der Regierung „verschwunden“, wo man ihn verhört, gefoltert und auf jede mögliche Art gequält hätte. Die Polizei von Chicago ließ am Homan Square über 7.000 Menschen in einer geheimen, nicht dokumentierten Lagerhalle für Verhöre „verschwinden“,

Als einheimischer Terrorist etikettiert und wegen Verrats angeklagt würde Jesus zu einer lebenslangen Haftstrafe in einem privaten Gefängnis verurteilt, wo man ihn zur Sklavenarbeit für Konzerne zwingt. Oder man würde ihn mit dem elektrischen Stuhl oder einem tödlichen Medikamentencocktail töten.

So oder so, ob Jesus in der heutigen Zeit oder in seiner Zeit geboren wäre, er wäre durch die Hände eines Polizeistaats umgekommen. Und ich zeige in meinem Buch „Battlefield America: The War on the American People“: Was Jesus und andere Aktivisten in ihrer Zeit durchlitten haben, das passiert heute mit denen, die den Mächtigen die Wahrheit sagen.

Daher stehen wir vor einer Wahl: im Angesicht des Bösen zu schweigen oder sich dagegen zu äußern. So sagte es der Nobelpreisträger Albert Camus:

Vielleicht können wir die Welt nicht daran hindern, dass in dieser Welt Kinder gefoltert werden. Aber wir können die Anzahl der gefolterten Kinder verringern. Und wenn ihr uns nicht helft, wer in aller Welt soll uns dabei helfen?