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ardDas böse Wort von der „Betroffenheitsfolklore“ trifft wohl am besten, was die Staatssender ARD und ZDF den Zuschauern regelmäßig vorsetzen, wenn sich Jahrestage nationalsozialistischer Verbrechen so hinterrücks wie unvermeidbar in den Alltag schleichen.

Da wird öffentlich Betroffenheit in die Kameras geheuchelt, bis man sich vor lauter Fremdschämen angewidert abwendet. Wer am lautesten schluchzt und am geschicktesten Tränchen vor Kameras verdrückt, ist der Superstar des Tages – der einfühlsame Empath, der vermeintlich aus der Geschichte gelernt hat. In vorderster Reihe findet man zwangsläufig die widerlichsten Heuchler, die Vordrängler und Berufenen.

Dabei kann es angesichts der Verbrechen eigentlich nur eine Devise geben: dokumentieren, zeigen und ansonsten Schnauze halten! Wer angesichts der Verbrechen nicht selbst zu einem moralischen Urteil findet, wird es ganz sicher nicht unter staatlich angeordnetem und vorgespieltem Mitleidsritual.

In den tagesthemen war es Anja Reschke, die sich angesichts des Jahrestages der Auschwitz-Befreiung öffentlich darstellen musste. Sie ersparte den Zuschauern zwar weitestgehend vorgespielte Betroffenheitsbekundungen, trat aber umso genüsslicher in das nächste – nicht minder schäbige – Fettnäpfchen, als sie zum Ende ihres Kommentars zum Punkt kommt: PEGIDA!

Man hätte es ahnen können. Die letzten Überlebenden sterben aus, nun kann man darangehen, deren Leid politisch-propagandistisch für das Tagesgeschäft auszuschlachten. In der Verwertungslogik des Staatssenders macht das Sinn. Wohin soll man sonst, mit einem solch monströsen Arsenal historischer Unmenschlichkeit, wenn man es nicht weiterverwursten kann?

„Auschwitz ist nunmal passiert“, meint Reschke wortwörtlich. Einfach so. Als gäbe es keine Vorgeschichte. Anstatt aber eben diese Vorgeschichte zu analysieren, anstatt zu fragen, wie es dazu kommen konnte, dass ganz normale Menschen anderen Menschen Derartiges antun, fällt Reschke nichts besseres ein, als das, was „nunmal passiert ist“, zu benutzen – gegen PEGIDA.

Reschke_Auschwitz_Pegida

Reschke: „Nach diesem Film konnte ich nicht schlafen. Also habe ich umgeschaltet. Und was sehe ich? PEGIDA-Demonstranten in Dresden, die sich aufregen über die vielen Ausländer in Deutschland. Ganz ehrlich? Da ist mir dann wirklich schlecht geworden.“

Das ist opportunistisch, wohlfeil, feige, ignorant und für die Mehrheit der PEGIDA-Demonstranten ohne jeden Zweifel eine widerliche Verleumdung. Über deren Anliegen und Sorgen kann man trefflich streiten. Dass sich unter ihnen Holocaustleugner oder gar Holocaustanhänger in nennenswerter Zahl finden, kann man allerdings ausschließen. Selbst einem Hetzer wie Bachmann darf man nicht unterstellen, dass er KZs für Ausländer oder Muslime gutheissen würde.

Reschkes Kommentar ist in dreierlei Hinsicht mindestens so schlimm, wie die oben angesprochenen üblichen Betroffenheitsbekundungen der bezahlten Heuchler. Erstens benutzt sie die Verbrechen für tagespolitische Stimmungsmache. Zweitens diffamiert sie mehrheitlich unbescholtetene Bürger, indem sie ihnen unterstellt, die Verbrechen der Nazis wiederholen zu wollen.

Drittens – und das ist vielleicht der wichtigste Punkt – lenkt sie einmal mehr von der Aufarbeitung der Ursachen ab. Auschwitz ist nämlich nicht „nunmal so passiert“, sondern hat eine jahrhundertelange Vorgeschichte der Hetze, die in ihrem Ursprung christlicher Abstammung ist. Die christliche Hetze von den Kanzeln der Kirchen in die Köpfe der Schafe hat über die Jahrhunderte mehr als ein Pogrom heraufbeschworen.

Kein Mensch kommt als Antijudaist oder als Mitglied eines Erschiessungskommandos vorbestimmt auf die Welt. Es bedarf eines nicht unerheblichen Aufwands der Hetze und Propaganda, bevor man Menschen massenhaft zu Tätern machen kann, die auch vor den unaussprechlichsten Taten nicht zurückschrecken. Eine ernsthafte Aufarbeitung dieser Mechanismen der Verhetzung hat in Deutschland bis heute nicht stattgefunden.

„Die Deutschen wurden von den Nazis verführt“, ist das so weit verbreitete, wie offenkundig falsche, aber durchaus bequeme Erklärungsmuster. Die Bedeutung der Medien und die Aufarbeitung der gezielten Propaganda ist auch deshalb so unbequem, weil eine Einsicht und Verständnis der Bevölkerung in diese Mechanismen, von eben jenen nicht gewünscht sein kann, die sie nach wie vor verwenden.

Immer wieder betonen und wundern sich „Experten“ und „Journalisten“ in den Medien, dass ausgerechnet in Dresden – einer Stadt ohne nennenswerten Anteil an Ausländern oder Muslimen – Zehntausende gegen eine „Islamisierung Europas“ auf die Straße gehen. Dabei liegt die Ursache auf der Hand: Gerade eben jene, die dort ihre Ängste vor einer Islamisierung zum Ausdruck bringen, haben all ihre Kenntnisse über den Islam überhaupt erst aus den Medien bezogen. Ihnen wird seit Jahren eine Religion des Terrors und der Demokratieunfähigkeit in den Kopf getrichtert – auch und zuvorderst von den sogenannten Öffentlich-Rechtlichen deren Angestellte Reschke – die absurderweise auch noch das Medienmagazin ZAPP moderiert – jetzt gegen die Opfer der eigenen antiislamischen Propaganda hetzt.

Natürlich ist diese antiislamische Propaganda nicht so schamlos, direkt und systematisch wie das unter den Nazis der Fall war. Tatsächlich ist sie größtenteils ein Abfallprodukt, ein Kollateralschaden westlicher Kolonial- und Imperialpolitik in den islamischen Ländern. Ihre Wurzeln liegen in den militärischen Interventionen des Westens in Afghanistan, Irak, Libyen, Syrien, Jemen, etc. Kriege und Raubzüge muss man rechtfertigen und sei es letztlich mit dem Widerstand der Betroffenen.

Diese Wahrheit darf in westlichen Propagandamedien nicht durchdringen, weshalb man es billigend oder gar mit Genugtuung in Kauf nimmt, dass eine ganze Religion diffamiert wird, denn spätestens dann kann man dadurch die eigenen Verbrechen begründen. Das Charlie-Hebdo-Massaker richtete sich eben nicht gegen die Meinungsfreiheit. Die Opfer waren einfach nur weiche Ziele, die es gewagt hatten, den Kopf zu weit herauszustrecken. Tatsächlich – der Täter Coulibaly sagt es im Bekennervideo und die Medien verschweigen es geflissentlich – war das Massaker ein Racheakt für die Angriffe des Westens gegen den IS. Eine Wahrheit, die den Imperialisten und ihren Propagandisten in den Medien nicht schmeckt, weshalb man es zu einem Angriff auf die Meinungsfreiheit umdeutet. Terroristische Dummheit macht es ihnen leicht.

Anja Reschke ist Teil dieses Propagandaapparates, der den Islam aus geopolitischen Gründen aktiv diffamiert oder dessen Diffamierung billigend in Kauf nimmt. Es ist dabei völlig unerheblich, ob Politik und Medien scheinheilig und verlogen die Religion als solche in Sonntagsreden verteidigen, denn sie stehen jeden Tag für eine konträre Politik und mediale Desinformation, die den Terror der Islamisten herauf beschwört, der dann wiederum die Anhänger von Pegida auf die Straße treibt.

Paradoxerweise sind viele Pegida-Anhänger tatsächlich Opfer genau der Medien, die sie selbst als Lügenpresse bezeichnen. Sie kennen Muslime nur aus den Medien, die den Islam fast ausschließlich mit Krieg, Terror, Fanatismus und Fundamentalismus in Verbindung bringen. Sie empören sich zu Recht über Extremisten, die ihr verzerrtes Bild vom Islam dominieren, reflektieren aber nicht, wie dieses krude Bild zustande kommt.

Das Problem fängt nicht mit den Verhetzten auf der Straße an, sondern mit den Hetzern in den Redaktionen, Studios und Büros. Darüber sollte sich Reschke mal Gedanken machen, bevor sie die Opfer der öffentlich-rechtlichen Propaganda auch noch als Nazis diffamiert.