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Montag Abend talkte (diskutieren kann man sowas nicht nennen) Frank Plasberg unter dem tendenziösen und suggestiven Titel: „Eiszeit im Frühling – müssen wir Angst vor Russland haben?“

Geladen waren ein Vertreter der deutschen Regierung, Norbert Röttgen CDU, ein Vertreter der deutschen Wirtschaft, Eckhard Cordes, Vorsitzender des Ost-Ausschusses der deutschen Wirtschaft, Melinda Crane amerikanische Chef-Korrespondentin bei Deutsche Welle-TV,  Guido Knopp, deutscher
Historiker und Politikwissenschaftler und als einzige Stimme für die russische Position Ivan Rodionov, russischer Chefredakteur der in Berlin ansässigen Fernseh-Agentur Ruptly-TV (Tochter von RT)

Es dauerte 15 Sekunden bis Plasberg dem russischen Gast das erste Mal ins Wort fiel – und so ging es weiter. Während die vier Vertreter der westlichen NATO-Doktrin von Zwischenfragen weitestgehend ungestört, die bekannte westliche Sicht der Dinge darlegen konnten, sah sich Rodionov mit ständigen Unterbrechungen konfrontiert. Besonders perfide waren Kameraeinstellungen, die regelmäßig einen maskierten russischen „Heckenschützen“ in Rodionovs Rücken platzierten:

Als ob das nicht genügte, wurden mehrere vorproduzierte Filmbeiträge eingespielt, die teils erbärmlichster, propagandistischer Natur waren.

Im ersten Beitrag wurden Demonstranten präsentiert, die die Staatsanwaltschaft in Donezk stürmen und die russische Fahne hissen.
Kommentar zu den Bildern: „Die Demonstranten setzen ein klares Zeichen pro Russland. Doch ihre Herkunft ist nicht geklärt. Sind es wirklich Bürger aus Donezk oder aus Russland geschickte Aktivisten?“ Lupenreine Propaganda nennt man sowas. Ohne jede Fakten, Indizien oder echte Beweise wird etwas suggeriert, um einen missliebigen Vorgang zu diffamieren.

In einem weiteren Beitrag wird ein Ausschnitt aus dem russischen Fernsehen präsentiert, in dem Dimitri Kisseljow die GEGENSCHLAGSFÄHIGKEIT der russischen Streitkräfte für den Fall eines atomaren Erstschlags der USA gegen Russland erläutert. Es wird in der Sendung nur ein sehr kurzer Ausschnitt gezeigt, aus dem nicht wirklich deutlich hervorgeht, dass es sich um die GEGENSCHLAGSFÄHIGKEIT handelt, statt dessen wird suggeriert, Kisseljow wolle russische Großmacht demonstrieren, indem er die Pulverisierung der USA grafisch in den Raum malt.

Der Ausschnitt findet sich nicht in der ARD-Mediathek, aber auf youtube und wurde auch dort in einer Version – von einer jüdischen News-Seite – propagandistisch gegen Russland verdreht:

Russia Nuke Threat: Putin propaganda chief threatens US with nuclear strike over Ukraine crisis

Eine kleine aber gemeine Verdrehung der Fakten. Ohne jetzt die Kenntnis der ganzen Sendung von Kisseljow zu haben, ist anzunehmen, dass Kisseljow im Zusammenhang mit dem Putsch in der Ukraine, über die näher rückenden NATO-Atomwaffen, bzw dem NATO-Abwehrschirm gesprochen hat, was die Vorwarnzeiten für das russische Militär erheblich verkürzt und einen atomaren Erstschlag für die NATO zur militärischen Handlungsoption werden lässt.

Kisseljow hat also (vermutlich) den russischen Zuschauern lediglich versichern wollen, dass die russische Gegenschlagsfähigkeit noch funktioniert. Dies wird ihm jedoch in den westlichen Medien propagandistisch so ausgelegt, als würde er der USA mit nuklearer Vernichtung durch einen Angriffskrieg drohen.

Noch einen Tag später behauptet „Hart aber fair“ im Faktencheck im recht zu sein. Man beachte das unauffällige Wort „Gegenschlag“, das hier im Folgenden fett hervorgehoben wird:

„Ivan Rodionov und der Einspielfilm über russische Medien

Ivan Rodionov kritisierte den Einspieler, in dem „Hart aber fair“ den Chef der staatlichen russischen Medienagentur, Dmitry Kiselyov, zeigte, wie er vor dem Bild eines Atompilzes klar stellte, Russland sei das einzige Land, das „die USA in nukleare Asche verwandeln“ könne. Der Ausschnitt sei aus dem Zusammenhang gerissen.

„Hart aber fair“ hat die Passage ausgewählt, um deutlich zu machen, mit welcher Temperatur das russische Staatsfernsehen über die Krim-Krise berichtet. Kiselyov stellt auf dem Höhepunkt der Krimkrise, in einer ohnehin schon aufgeheizten Lage, einen Regierungsbericht vor, der schon zwei Monate alt ist. In diesem Bericht schildert die russische Regierung das System Russlands zum atomaren Gegenschlag. Der Moderator konstruiert einen Zusammenhang zwischen einem Anruf Obamas bei Putin und der Veröffentlichung des Berichts. Das von uns verwendete Zitat ist keinesfalls entstellend oder gibt den Fernsehbeitrag Kiselyovs verzerrt wieder. Tatsächlich wird beim Lesen des Gesamtzusammenhangs noch klarer, wie konstruiert und aggressiv die Berichterstattung durch den Moderator in diesem Fall ist.

Hier das Zitat im Zusammenhang:

„Russland ist das einzige Land der Welt, das wirklich in der Lage ist, die USA in radioaktive Asche zu verwandeln. Ich weiß nicht, ob es ein Zufall ist, aber Obama rief Putin am 21. Januar an. Wahrscheinlich hat er wohl versucht, ihn unter Druck zu setzen. Aber schon einen Tag später veröffentlichte die russische Regierung einen Bericht, in dem detailliert die Funktionsweise unseres Systems erklärt wird, das einen nuklearen Gegenschlag garantiert – ‚Perimeter‘ genannt. In den USA nennt man das System „Dead Hand“. Sie sollten sich das tatsächlich durchlesen. Im Kern geht es darum, dass selbst wenn die Soldaten in unseren Kommandozentralen durch einen feindlichen nuklearen Schlag eliminiert worden sind, dieses unbesiegbare System automatisch strategische Raketen aus Bunkern und U-Booten in die richtige Richtung startet. Sie finden den Bericht auf der Webseite der Rossijskaja Gaseta vom 22. Januar. Es ist sehr interessant, suchen sie nach Perimeter.“ (LINK)

Der skandalisierte Ausschnitt findet sich auf youtube auch mit englischen Untertiteln:

Es geht also – anders, als von „hart aber fair“ propagandistisch und diffamierend suggeriert – nicht um Scharfmacherei und Drohung mit der Pulverisierung der USA in einem aggressiven Erstschlag, sondern darum, die Gegenschlagsfähigkeit Russlands auch für den Fall sicherzustellen, dass die USA Russland zuerst angreifen und dabei das gesamte russische Militär töten. Selbst in einem solchen Fall würde das System „Perimeter“ für den Gegenschlag sorgen, weshalb es in den USA „Dead Hand“ genannt wird. Die tote Hand der Maschinen sichert den Gegenschlag, was letztlich die Funktionsfähgikeit der gegenseitigen Abschreckung aufrecht erhalten soll, denn die wird durch den US-Raketenschirm aufgehoben.

Die Sendung von Kisseljow bringt also nichts anderes als die Ängste der Russen zum Ausdruck, die durch den Aufbau des Raketenabwehrschirms durch USA und NATO verursacht werden. Der Abwehrschirm hebt vermeintlich das Abschreckungspotential auf und könnte einen nuklearen Angriff deshalb für die NATO in den Bereich des Möglichen rücken, denn man wähnt sich ja geschützt.

Statt also die Ängste der Russen ernst zu nehmen und in der Sendung zu thematisieren, verdreht Plasberg die Darstellung Kisseljows zu einem aggressiven Akt. Hier der Ausschnitt aus „Hart aber fair“:

Eine besonders miese Tour, die Plasbergs Redaktion dort abgezogen hat, zumal Ivan Rodionov auf die Schnelle zu einem Statement genötigt werden sollte, ohne die genauen Hintergründe des Ausschnitts zu kennen. Vermutlich hat er – wie die meisten Zuschauer – angesichts der Skandalisierung gar nicht mitbekommen, dass es sich um die russische Fähigkeit zu einem Gegenschlag handelt und nicht um einen Angriffskrieg oder die Drohung mit einem solchen.

Der miese Propagandist heißt also nicht Kisseljow, sondern Plasberg. Typen wie er und tendenziöse Sendungen wie diese Folge von „Hart aber fair“ sind es, die Schuld daran sind, wenn „für jeden der 50+ ist, Russland noch etwas Unheimliches ist„, wie er selbst es scheinheilig und vollkommen überzogen ausdrückt.

Damit war aber noch lange nicht genug: Zum Schluss schämt sich die Redaktion nicht, einen Einspieler zu präsentieren, in dem Senioren in einem Altenheim Bilder russischer Soldaten und Panzer präsentiert werden, um ausgerechnet den Senioren, deren Generation den deutschen Überfall auf Russland noch miterlebt (oder mitgemacht) hat, ein allgemeines Statement gegen den Krieg abzuringen, das dann wiederum Rodionov unter die Nase gerieben wurde, als wäre er oder Russland ein Kriegstreiber.

Als Rodionov darauf hinweist, dass jetzt in Kiew wieder Nazis an einer Regierung beteiligt sind, will Plasberg ihn nicht verstehen. Es war der peinliche Höhepunkt einer propagandistischen Sendung zum Fremdschämen.

Glücklicherweise war es auch das Ende dieses beschämenden Tiefpunkts deutscher Talkshows.