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Die NYT wirbt für Internet-Zensur

von Robert Parry                                           Übersetzung FritztheCat

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Exklusiv: Die New York Times will für das Internet ein Zensursystem, um die von ihr sogenannten „fake news“ zu blockieren. Dabei ignoriert die Times ihre eigene Bilanz an „fake news“, berichtet Robert Parry.

In ihrem Hauptkommentar vom Sonntag beklagt die New York Times das, was sie den „digitalen Virus der Falschmeldungen“ nennt, und fordert eine Internetzensur um diesem angeblichen Problem zu begegnen. Insbesondere zielt man auf den Facebook-Gründer Mark Zuckerberg ab, der würde erlauben, dass „Lügner und Trickbetrüger seine Plattform kapern“.

Diese Kampagne der Massenmedien gegen die „Falschmeldungen“ („fake news“) hat in den letzten zwei Wochen an Fahrt aufgenommen, wobei zwei gefälschte Dinge ständig wiederholt werden: Eine Behauptung, dass Papst Franziskus für Donald Trump geworben hätte und eine Aussage, dass Trump bei der Stimmenanzahl vor Hillary Clinton liege. Ich könnte eine weitere mit der Wahl in Zusammenhang stehende Fälschung hinzufügen, ein von Trump-Unterstützern verbreiteter Schwindel, dass der liberale Dokumentarfilmer Michael Moore für Trump geworben hätte, wo er doch in Wahrheit Clinton unterstützte.

Aber ich weiß auch, dass Clinton-Unterstützer insgeheim einige schlüpfrige und unbegründete Vorwürfe über Trumps Sexleben verbreiteten. Und Clinton selbst hat Trump vorgeworfen, er sei unter der Kontrolle des russischen Präsidenten Wladimir Putin, auch wenn für diese McCarthyistische Beschuldigung kein Beweis präsentiert wurde.

Die einfache Wahrheit ist, dass während eines hitzigen Wahlkampfs haufenweise dubiose Beschuldigungen versprüht werden – das ist nichts Neues – und dass es für uns professionelle Journalisten immer eine Herausforderung ist, solches so gut wie möglich abzuwehren. Was jetzt anders ist: Die Times stellt sich eine Struktur (oder Algorithmen) vor, die diese sogenannten „Falschmeldungen“ ausschalten soll.

Aber erstaunlicherweise ist sich die Times nicht darüber bewusst, wie oft sie selbst „Falschmeldungen“ verbreitet hat, wie der Bericht von 2002: „Iraks Ankauf von Aluminiumröhren bedeutet, dass er sein nukleares Waffenprogramm wieder aufnimmt“; oder ihre falsche Analyse von 2013, dass die Abschussorte syrischer Sarin-Geschosse sich zu einer syrischen Militärbasis zurückverfolgen ließen. Es stellte sich heraus, dass sie viermal außerhalb der Reichweite der Raketen lagen. Oder 2014 die Veröffentlichung von Fotos von angeblich russischen Soldaten in Russland und danach in der Ukraine, später stellte sich heraus, dass die Fotos „innerhalb Russlands“ ebenfalls in der Ukraine aufgenommen wurden, was die ganze Geschichte zerstörte.

Das sind nur drei Beispiele von vielen, als die Times „Falschmeldungen“ veröffentlichte – und alle drei erschienen auf der ersten Seite und mussten zähneknirschend oder teilweise zurückgenommen werden, irgendwo tief im Blatt unter verschwurbelten Überschriften vergraben, wo sie die meisten Leser nicht entdeckten. Viele der „Falschmeldungen“ der Times wirkten weiter bei der Unterstützung der US-Propaganda mit, sogar nach deren teilweisem Widerruf.

Wer ist der Richter?

Soll also Zuckerberg Facebook-User daran hindern, Geschichten der NYT zu verbreiten? Bestimmt würde die Times eine solche Lösung des Problems der „Falschmeldungen“ nicht bevorzugen. Stattdessen erwartet die Times, dass sie einer der Schiedsrichter wird, die entscheiden, welcher Internet-Laden verbannt wird und welcher das goldene Gütesiegel erhält.

Der Hauptkommentar in der Times, der auf eine Titelgeschichte vom Freitag zu dem selben Thema folgte, lässt wenig Zweifel daran was die Zeitung gerne sehen würde. Sie will von den großen Internet-Plattformen und Suchmaschinen wie Facebook und Google, dass sie den Zugang zu jenen Seiten sperren, die der Verbreitung von „Falschmeldungen“ beschuldigt werden.

In dem Kommentar heißt es: „Ein großer Teil der Verantwortung für diese Plage ruht auf Internetfirmen wie Facebook und Google, die das Teilen falscher Meldungen ermöglicht haben, die sich im Nu auf Millionen User verbreiten, und beim Blockieren von ihren Seiten langsam waren…“

„Facebook sagt, man würde am Ausmerzen solcher Fälschungen arbeiten. Letzten Montag hieß es, sie würden keine von Facebook eingestellte Werbung mehr auf diesen Falschmeldungs-Seiten einstellen, ein Schritt, der Facebook und diesen Falschmeldungs-Seiten einer lukrativen Einnahmequelle berauben würde. Am gleichen Tag zuvor sagte Google, man würde diesen Seiten den Zugang zu ihrem Werbenetzwerk untersagen. Diese Schritte würden helfen, aber besonders Facebook schuldet seinen Usern, und der Demokratie selbst, wesentlich mehr.“

„Facebook hat bewiesen, dass es effektiv Inhalte wie Clickköder-Artikel und Spam auf seiner Plattform blockieren kann, durch die Anwendung von Algorithmen, die festlegen, welche links, Fotos und Werbung die User auf ihren Nachrichtenseiten sehen . … Die Manager von Facebook verändern und verbessern ständig die Algorithmen, was bedeutet, dass das System formbar ist und menschlichen Entscheidungen unterliegt.“

Weiter schreibt der Times-Kommentar: „Diesen Sommer hat Facebook entschieden, dass man in den Nachrichtenkanälen der User mehr Beiträge von Freunden und Familienangehörigen zeigt und Storys von Nachrichtenorganisationen reduziert, weil es die User so haben wollten. Wenn man das tun kann, dann können ihre Programmierer sicher auch die Software so trainieren, dass sie gefälschte Geschichten erkennen können und jene Menschen überlisten können die solchen Müll produzieren…“

„Mr. Zuckerberg hat selbst ausführlich darüber gesprochen, wie die Sozialen Medien dabei helfen können, die Gesellschaft zu verbessern. … Das wird nicht passieren, wenn er weiterhin Lügnern und Trickbetrügern erlaubt, seine Plattform zu kapern.“

Grauzonen

Das Problem dabei ist jedoch: Während einige Fälschungen vielleicht offensichtlich und deutlich sind, so gibt es doch viele Informationen in einer Grauzone, in der zwei oder mehrere Seiten sich über die Fakten uneinig sind. Und dass die US-Regierung nicht immer die Wahrheit erzählt, auch wenn man schwerlich ein Beispiel finden wird, wo die Times diese Realität anerkennt. Vor allem in den letzten Jahrzehnten hat die Times für gewöhnlich die offizielle Version eines strittigen Ereignisses übernimmt und eine seriöse Skepsis dazu für unzulässig erklärt.

So hat die Times die Dementi der irakischen Regierung und einiger außenstehender Experten behandelt, die die Geschichte mit den „Aluminium-Röhren“ 2002 anzweifelten – und wie die Times Widersprüche bezüglich der Beschreibung der US-Regierung zu Ereignissen in Syrien, in der Ukraine und in Russland abgebürstet hat. Zunehmend kommt die Times wie ein Propaganda-Kanal für das offizielle Washington daher, anstatt wie ein professionelles journalistisches Blatt.

Aber die Times und andere Blätter der Massenmedien sitzt jetzt – zusammen mit einigen beliebten Internetseiten – in einer von Google finanzierten Organisation namens First Draft Coalition. Und die präsentieren sich als eine Art Ministerium der Wahrheit, die darüber entscheiden welche Geschichten wahr sind und welche „falsch“.

Wenn man den Empfehlungen der Times nachkommt, dann werden die ungeliebten Geschichten und die Seiten, die sie veröffentlichen, nicht mehr auf den bekannten Suchmaschinen und Plattformen zugänglich sein. (Siehe Consortiumnews.com „What to Do About ‚Fake News‘.“)

Die Times versichert, dass eine solche Zensur gut für die Demokratie sei – und es stimmt sicher, dass Fälschungen und grundlose Verschwörungstheorien für die Demokratie nicht hilfreich sind – aber Regulierungen der Information, so wie sie die Times vorschlägt, tragen mehr als den Duft von Orwellschem Totalitarismus.

Und dass dieser Vorschlag von der Times kommt, mit ihrer wechselvollen Bilanz der Verbreitung gefährlicher Desinformation, das ist besonders besorgniserregend.


Robert Parry (* 24. Juni 1949) ist ein US-ameri­kanischer Journalist, der in den Verei­nigten Staaten vor allem durch seine Arbeiten zur Iran-Contra-Affäre, damals für Associated Press und Newsweek bekannt wurde. Während des Contra-Kriegs in Nicaragua deckte er den Skandal um das CIA-Handbuch Psychological Operations in Guerrilla Warfare auf und war an der Aufdeckung des vom CIA geduldeten Drogen­schmug­gels beteiligt. 1984 erhielt er den George Polk Award in der Sparte „Nationale Be­richt­er­stattung“. (wikipedia)