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ZDF zdfFreitag 29.08.2014, 19:20 – 19:35 Uhr

ZDF spezial
Kampf um die Ostukraine – Russlands verdeckte Invasion

Die „ZDF spezial„-Sendungen sind kurzfristig ins Programm genommene, in der Regel 15-minütige Sondersendungen zu aktuellen Themen, die breiteres Hintergrundwissen vermitteln sollen, als dies in den Hauptnachrichtensendungen angeblich möglich ist. Sie sind das ZDF-Pendant zu den ARD-„Brennpunkten“.

Am Freitag dem 29.08.2014 gab es kein besonderes aktuelles Ereignis, außer dass der ukrainische Präsident Poroschenko am Tag zuvor die Welt mit der Lüge einer angeblichen russischen „Invasion“ aufgeschreckt hat – was er kurz darauf zurücknehmen musste.

Das ZDF nahm die wieder einmal durch nichts belegten Geschichten des ukrainischen Präsidenten nicht etwa zum Anlass, mit seriöse recherchierten Fakten die Behauptungen zu verifizieren, sondern sendete eine einseitige Agitation, die allen Kriterien der Propaganda gerecht wurde.

Gleich zu Beginn bekommt NATO-Chef Rasmussen das Wort. Der Mann also, der die Welt u.a. mit wahnhaften Geschichten zum Narren hält, Russland hätte die Umweltbewegung unterwandert. Der darf unhinterfragt behaupten:

zdfspezial_rasmussen„Trotz der bedeutungslosen Dementis Russlands ist es nun klar, dass russische Truppen und ihre Ausrüstung illegal die Grenze zur Ost- und Südukraine übertreten haben. Dies ist keine Einzelaktion, sondern Teil des gefährlichen Musters seit vielen Monaten, die Ukraine als souveräne Nation zu destabilisieren.“

Anstatt an dieser Stelle die Fakten zusammenzutragen und angebliche Indizien nüchtern und sachlich zu bewerten, kommt Moderatorin Pieper gleich zum Beginn der Sendung zum Resümee und der eigentlichen Botschaft:

„Gegen die Übermacht der russischen Streitkräfte haben ukrainische Armee und Milizen keine Chance.“ (1:14 min)

Wohlgemerkt hat nicht einmal Rasmussen konkreten Zahlen genannt, die auch nur annähernd den Begriff „Übermacht“ rechtfertigen könnten. Natürlich hat auch Pieper keinen blassen Schimmer, in welcher Zahl russische Soldaten in der Ukraine kämpfen, ob diese dort als Freiwillige agieren oder im staatlichen russischen Auftrag handeln. Das hindert Pieper aber nicht, gerade das dreist in die Kamera zu behaupten.

Es geht weiter mit einem Bericht von Katrin („Separatisten sind Terroristen„) Eigendorf. Aus ihrem Bericht stammt die Behauptung von der „russischen Übermacht“ – freilich auch ohne hier irgendwelche Belege vorweisen zu können. Es zählen alleine die Aussagen von Angehörigen der ukrainischen Armee und Milizen, die verständlicherweise eine Entschuldigung für das eigene Versagen parat haben müssen.

Der Bericht Eigendorfs ist schon einige Tage alt und wurde in Teilen bereits vier Tage zuvor, am 25.08 im heute-journal ausgestrahlt. Bemerkenswert sind die Einlassungen eines ukrainischen Soldaten zu seiner Ausrüstung (ab 10:20min) die zwar am 25.08. noch ausgestrahlt wurden, in diesem ZDF spezial aber der Schere zum Opfer fielen:

zdf_heute-journal_25.8

„Ich habe alles von eigenem Geld im Second-Hand-Geschäft gekauft. Der Helm ist gebraucht. Wir kaufen alles von unserem Geld.“

 

Da kommen doch sofort Erinnerungen hoch. Als Putin erklärte, die Selbstverteidigungskräfte der Krim hätten sich ihre Ausrüstungen in Second-Hand-Läden gekauft, wurde das in den gleichgeschalteten Westmedien weithin lächerlich gemacht, die Männer als grüne Männchen diffamiert. Wenn ein ukrainischer Soldat dies nun ebenfalls berichtet, wird Mitleid mit der armen ukrainischen Armee erwartet.

Kommen wir zu Eigendorfs „Beweisen„, die sie ab 2:09 min aufzählt und als überzeugende Belege dafür ausgibt, „dass Russland in der Ukraine Krieg führt“:

1. „Satellitenbilder der NATO“zdf_spezial_satellitenbilder

Selbst ZDF-Mann Lichte meinte im heute-journal vom 28.8. (ab 2:40 min), einen Tag zuvor also, dass diese Bilder nicht aussagekräftig seien – und das ist noch harmlos ausgedrückt.

2. „Aufnahmen von russischen Panzern an der Grenze“

Aufnahmen russischer Panzer an der Grenze zur Ukraine sind selbstverständlich kein Beweis für einen Krieg Russlands gegen die Ukraine. Hier redet Eigendorf – wie so oft – dummes Zeug. Man könnte die Panzer nahe der Grenze schlimmstenfalls als Bedrohung bezeichnen. Andererseits sind sie auch Beweis, dass sie eben nicht in der Ukraine sind.

3. „Proteste russischer Soldatenmütter, deren Söhne in der Ukraine kämpfen mussten.“

deren Söhne in der Ukraine kämpfen mussten“ ist eine durch nichts belegte Behauptung und in mehrfacher Hinsicht zweifelhaft. Zum einen kann keine einzige Mutter handfeste Beweise vorlegen, alle sprechen nur von Befürchtungen. Zum anderen ist es abwegig anzunehmen, Putin würde – wenn er wollte – zu diesem Zeitpunkt Wehrpflichtige in die Ukraine schicken. Wenn überhaupt, wäre es denkbar, dass er kleine Expertentrupps mit sehr konkreten Missionen losschickt, die gewissermaßen unter dem US-amerikanischen Radar arbeiten können – aber selbst dafür gibt es bisher keine Beweise.

Von „überzeugenden Belegen“ kann also keine Rede sein.

Auf den NATO-Chef und den so gefärbten wie substanzlosen Bericht Eigendorfs, folgt ein Interview mit CDU-Mann Röttgen, der sich bereits in der Vergangenheit als sachfremder Scharfmacher profiliert hat. Schon in die erste Frage packt die Moderatorin Pieper die Unterstellung, die die ganze Sendung durchzieht und die hier nicht verifiziert, sondern in die Köpfe gehämmert werden soll:

Pieper: „Angesichts der offensichtlichen militärischen Intervention Russlands fordern Sie weitere Sanktionen. Was können die denn nutzen? Bisher haben die ja Putin nicht abgeschreckt.“

Röttgens Geschwätz ist für eine propagandistische Analyse unerheblich. Er ist Politiker und kann den lieben langen Tag so viel Unsinn reden, wie die Bürger oder die Parteiliste ihn in den Bundestag und die Staatsmedien ihn ins Fernsehen hieven. Seine unqualifizierten „Weisheiten“ über Putins Motive, sollen hier nicht weiter interessieren. Festzuhalten ist nur, dass ein Scharfmacher wie Röttgen in dieser Sendung zu Wort kommt, dass kein Interviewpartner eine Gegenmeinung vertritt und auch die Moderatorin die Einlassungen Röttgens nicht hinterfragt, sondern als Stichwortgeberin dient.

Putin_KrimEs folgt ein Einspieler von Gert Anhalt, der den Bogen von der Heimführung der Krim zu den aktuellen Vorgängen in der Ostukraine herstellen soll. Die These lautet: Putin hat auf die Krim Soldaten geschickt, obwohl er es geleugnet hat und das tut er auch jetzt in der Ostukraine. Später habe er ja selbst zugegeben, dass er gelogen habe.

Auch das ist falsch und verzerrt wiedergegeben. Putin hat tatsächlich niemals zugegeben oder gesagt, dass er Soldaten auf die Krim geschickt hat. Er hat gesagt, dass unsere Leute hinter den Selbstverteidigungskräften der Krim gewesen seien und genau so muss man sich das auch vorstellen. So wie die USA hinter dem Putsch auf dem Maidan stecken, so wie die CIA hinter dem SBU steht, so stehen auch Putins Leute hinter der einheimischen russisch-orientierten Bevölkerung der Krim und der Ostukraine.

Selbstverständlich unterstützt er die Volksmilizen mit allen legalen Mitteln und toleriert sehr wahrscheinlich auch Waffenlieferungen und den Grenzübertritt von Kämpfern, aber es ist bisher schlicht nicht notwendig – und es wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch nicht dazu kommen – dass Russland aktiv mit eigenen Panzern und Soldaten in die Ukraine einmarschiert. Wenn das nötig wäre, wäre auch Putin klar, dass er das von ihm dann besetzte Territorium nicht halten könnte. Wenn es dort aber Selbstverteidigungskräfte gibt, die nur Unterstützung brauchen, dann werden sie diese von Russland auch bekommen.

Das bedeutet für die Zukunft, dass die Grenzen von Novorossiya sich am Rückhalt der Bevölkerungsgruppen orientieren werden. Wo es starke pro-russische Kräfte gibt, wird Putin diese unterstützen. In Gebiete, in denen Maidan-Anhänger vorherrschen, wird er nicht mit Gewalt eindringen. Hierbei spielt die Zeit für Putin und es ist davon auszugehen, dass eine Ausweitung von Novorossiya bis nach Odessa im Bereich des Wahrscheinlichen ist. Die Zahl der Menschen, die sich von Kiew abwenden und Russland zuwenden wächst mit jedem Tag des Krieges, mit jedem LKW den Putin nach Donezk bringt und mit jedem Tag, den der Winter näher rückt.

Im Beitrag von Gert Anhalt wird der bereits bekannte „Politologe“ Belkowskij als Experte präsentiert, der die Denkweise des Kremls erklären soll. Belkowskij passt als mehr oder weniger bekannter Kritiker Putins und des Kremls nahtlos in diese Sendung, in der ausschließlich Putin-Gegner das Wort führen.

Gert Anhalts Fazit: „Am Ende steht wohl alles hinter diesem Ziel zurück: Russlands Glorie als Großmacht wiederherzustellen.“

Dass es nicht Putin war, der in Kiew geputscht hat und damit diese abzusehende Entwicklung eingeleitet hat, auf diesen Gedanken kommt Anhalt erwartungsgemäß nicht.

Zum Schluss des ZDF spezial muss auch noch Markus Kaim als „Sicherheitsexperte“ ran. Kaim ist Propagandist und Ideologe der staatlichen Stiftung „Wissenschaft und Politik“ und hat an führender Position mit dem German Marshall Fund das Strategiepapier „Neue Macht – Neue Verantwortung“ mit entworfen, das für die aktuell vorangetriebene Militarisierung der deutschen Aussenpolitik verantwortlich ist.

FAZIT:

Das ZDF spezial hat keinerlei neue Informationen oder Erkenntnisse über eine angebliche russische Invasion zutage gefördert. Ziel der Sendung ist die Manifestierung des Eindrucks, Russland sei mit Truppen in die Ostukraine einmarschiert, obwohl es dafür keine handfesten Belege gibt. Weiteres Ziel ist die komplette Schuldzuweisung an den Vorgängen in der Ostukraine an Russland und die Verbrämung der ukrainischen Junta als Opfer russischer Großmachtfantasien.

Indizien die der Propagandalinie widersprechen – wie zB die Aussagen der OSZE, die keinerlei Hinweise auf russische Truppen in der Ukraine hat – werden komplett totgeschwiegen.

Es wird nicht ein einziger Interviewpartner präsentiert, der eine Gegenmeinung oder alternative Erklärungen präsentieren könnte. Die russische Seite darf sich nicht selbst erläutern, sondern ist Objekt westlicher Zuweisungen, Unterstellungen und Projektionen. Diese Machart ist keinesfalls neu oder besonders. Sie ist eine seit Monaten etablierte Form der Propaganda in einem Krieg um die Ukraine, der vom Westen angezettelt wurde.