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RT-Deutsch-logoIn einem aktuellen Artikel auf Telepolis wundert sich Harald Neuber – mit dem Chef von RT-Deutsch Iwan Rodionov – über die Zusammensetzung der Zuschauerschaft des deutsch­sprachigen Informationsportals von Rossija Sewodnja.

Linke, Nichtwähler und AfDler bei RT Deutsch

Offensichtlich ist, dass die politische Mitte von SPD über Union bis zu den Grünen quasi nicht vertreten ist. Auf die Frage „Für welche Partei haben Sie bei der Bundestagswahl 2013 gestimmt?“ gaben 26,77 Prozent die Linke an, 20,09 Prozent die AfD. 23,01 Prozent gaben an, keine Stimme abgegeben zu haben. Auf die Frage „Für welche Partei werden Sie bei der nächsten Bundestagswahl Ihre Stimme abgeben?“ antworteten zugleich 42 Prozent mit der Linken, 21,57 Prozent wollen an der Abstimmung nicht teilnehmen, die AfD kommt auf einen geringeren Wert von 16,65 Prozent….

Die Zahlen zu SPD, CDU/CSU und Grünen seien „wirklich krass“, sagte Rodionov gegenüber Telepolis. Der russische Journalist erklärt das mit der Rolle der genannten Parteien als „Systemparteien mit starker Westprägung“. Die heftige Ablehnung seiner Redaktion durch Leitmedien entfalte in diesem Milieu daher eine stärkere Wirkung als bei Anhängern der Linken oder bei Nichtwählern.

Die Zahlen sind alles andere als erstaunlich, wenn man sie mit Blick auf die Funktion der Mainstreammedien im gesellschaftlichen Kontext betrachtet und Rodionovs Erklärung spielt in diesem Zusammenhang nur eine sekundäre Rolle. Sowohl die Öffentlich-Rechtlichen, als auch die „Leitmedien“ der Konzernpresse, dienen der Lenkung der öffentlichen Meinung im Sinne der politischen und wirtschaftlichen Eliten. Die wiederum finden sich naturgemäß sowohl in den Regierungs­parteien, als auch in den Sendern und Chefredaktionen vertreten, wo sie das Weltbild und die politische Einstellung ihrer Anhängerschaft verfestigen und nach Bedarf formen.

Wer sich in den Mainstreammedien in seinen politischen Anschauungen vertreten fühlt, weil er als Teil des Systems dieses als grundsätzlich funktionierend wahrnimmt, neigt nicht dazu, sich „alternativ“ zu informieren. Wer sich mit einem für ihn persönlich funktionierendem Wirtschafts- und Gesellschaftssystem zufrieden gibt und keinen Anlass hat, die Illusion der „Demokratie“ westlicher Prägung zu hinterfragen – die nichts anderes ist, als eine vierjährlich wiederholte Selbstentmündigung zugunsten von Parteicliquen – der wird dieses System in der Regel erst dann kritisch betrachten und Erklärungen für seine Dissonanzen suchen, wenn dieses System für ihn persönlich nicht mehr funktioniert.

Wer das System hingegen grundsätzlich hinterfragt oder seine politischen Ansichten in den Systemmedien entweder überhaupt nicht vertreten oder als abwegig diffamiert sieht, der wird sich alternative Quellen suchen, die ihm Informationen bieten, die seine nonkonformistische Sicht bestätigen und Erklärungsmuster anbieten.

Wenn RT-Deutsch mit dem Anspruch antritt, den „fehlenden Part“ zu zeigen, also vornehmlich jene politischen Informationen und Deutungen zu liefern, die in den systemisch gleichgeschalteten Mainstreammedien marginalisiert, unterdrückt oder denunziert werden, dann ist es folgerichtig, dass auch die Leser- und Zuschauer des Portals vorwiegend in jenen Kreisen zu finden sind, die man als grundlegend oppositionell einordnen kann.

Es wäre jedoch in höchstem Maße unseriös von einer „Querfront“ zu sprechen und quasi eine „außerparlamentarische Koalition“ herbeizufantasieren, wie das mit dem Ziel der Simplifizierung und Denunziation sowohl von den Mainstreammedien, als auch kürzlich von der unsäglichen „Studie“ der Otto-Brenner-Stiftung versucht wurde. Auch wenn es naturgemäß Übereinstimmungen in der Analyse der Fehler des Systems geben muss, bedeutet das nicht, dass „Linke“ und „Rechte“ auch gemeinsame Ziele verfolgen – was aber die Mindestanforderung wäre, um martialisch und dämonisierend zugleich, von einer „Front“ zu sprechen.

Vielmehr sind übereinstimmende Problembeschreibungen in der Analyse durch politisch unterschiedlich gestrickte Beobachter ein wichtiger Hinweis darauf, dass ihre Kritik nicht ideologisch fundiert, sondern vielmehr auf Fakten und Informationen basiert, die den Konsumenten der Systemmedien entweder komplett vorenthalten oder nur in „gesundheitlich“ abgestimmten Dosen zugemutet werden – wobei nicht die Gesundheit des Bürgers berücksichtigt wird, sondern die des Systems.

Dieses System der Desinformation und Meinungsmache zu verstehen ist höchst diffizil. Viele von denen, die glauben die Medien durchschaut zu haben, schreien „Lügenpresse“ nur deshalb, weil diese Presse nicht die Propaganda macht, die sie gerne hören und sehen würden. So ähnlich sie sich in der Analyse sind, so unterschiedlich würden sich viele „Linke“ und „Rechte“ dann letztlich Medien vorstellen, die sie selbst als objektiv und unabhängig bezeichnen würden.

RT-Deutsch stellt eine Schnittmenge an Informationen bereit, die an den politischen Rändern keine Berührungsängste kennt, keiner deutschen Staatsräson oder transatlantischen Hegemonie unterworfen ist und in beide Richtungen kritisch nachfragt. Dass es in den Mainstreammedien um das aus Moskau finanzierte Portal ruhig geworden ist, kann man deshalb als Kompliment auffassen. Wäre RT tatsächlich der Propagandakanal, zu dem ihn transatlantische Propagandisten machen wollen, wenn man dort Lügen- und Falschinformationen verbreiten würde oder einseitig aus Moskauer Sicht berichten, dann würde das den Systemmedien reichlich Munition liefern, die sie nur allzu gerne verschießen würden.