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wdrEigentlich wäre an dieser Stelle ein Exkurs über die ver­schie­denen Staatsverständnisse notwendig, die unter­schied­lichen politischen Ideologien (Sozialismus, Kapitalismus, Liberalismus, Anar­chis­mus, etc.) zugrunde liegen und bedingen. Da dies aber zu weit führen würde, sei nur explizit daran erinnert, dass elementar unterschiedliche – und allesamt berechtigte – Sichtweisen darüber existieren, welche Aufgaben ein Staat übernehmen sollte.

„Nudging“ der spielerischen und harmlosen Sorte: Eine Fliege im Urinal soll aus kleinen Ferkeln zielsichere Helden machen

Der WDR, finanziert mit zwangsweise eingetriebenen Gebühren und unter Kontrolle von Regierungsparteien, Politikern und Funktionären, warb gestern in seinem Wirtschaftsmagazin „Profit“ für einen paternalistischen Staat, der die Untertanen mit verdeckten psychologischen Erziehungsmethoden, genannt nudging, zu gewünschtem Handeln (ver-)führt und offenbarte dabei einmal mehr seine gesellschaftliche Rolle und sein Selbstverständnis als Staatssender.

Die unterschiedlichen Auffassungen darüber, welche Aufgaben Staat und Regierung zukommen, wirken nachhaltig in die reale Politik und zeigen sich beispielsweise in teils diametral gegensätzlichen Ansichten von US-Bürgern und Europäern mit Blick auf die Notwendigkeit von Krankenversicherungen oder dem freien Waffenbesitz.

Es gehört nebenbei bemerkt zu den irrwitzigen Randnotizen der jüngeren Geschichte, dass wir Deutsche mit den erneut zum Feindbild erklärten Russen weit mehr politische Grundüberzeugungen teilen (darunter die Offenheit für kommunistische Ideale und Ideologien) als mit US-Amerikanern, die seit dem Beginn der Besatzung Westdeutschlands mit allen Mitteln versuchen, uns vom Gegenteil zu „überzeugen“.

Aus Anlass der Verleihung des Wirtschaftsnobelpreises an den US-Verhaltens­ökonomen Richard Thaler sendete das WDR-Magazin „Profit“ am Freitag einen kurzen Beitrag zu der maßgeblich von Thaler entwickelten Methode des „nudging“:

Unter einem Nudge verstehen die Autoren eine Methode, das Verhalten von Menschen auf vorhersagbare Weise zu beeinflussen, ohne dabei auf Verbote und Gebote zurückgreifen oder ökonomische Anreize verändern zu müssen. (wikipedia)

Im Beitrag des WDR wird nicht nur mit einseitig ausgewählten und harmlos daherkommenden Beispielen unverhohlen für die Methode des nudging – und damit für einen paternalistischen Erziehungsstaat – Werbung gemacht, der die Bürger mit psychologischen Tricks manipuliert und erzieht, die die psychologisch nicht geschulten Untertanen weder erkennen noch durchschauen können, sondern es wird berechtigte Kritik, wie sie auch von Rainer Mausfeld formuliert wurde, in ein schiefes Licht gerückt:

Jens-Peter Marquardt: „Doch immer noch muss David Helpern Skeptiker überzeugen, die hinter dem Nudging-Ansatz dunkle Kräfte wittern: Die Manipulation der Bürger durch staatliche Macht.“

Diese Diffamierung von Kritik ist nicht nur aus journalistischer Hinsicht vollkommen unangebracht, denn es wäre Aufgabe des WDR einen seriösen Kritiker zu Wort kommen zu lassen, sondern sie ist auch inhaltlich auf den ersten Blick kompletter Unsinn, denn nicht einmal die Anhänger des nudging bestreiten, dass es sich um eine Manipulation der Bürger handelt, was Marquardt hier in Abrede stellen will.

Dass diese Manipulation „im Dunkeln“ stattfindet, wie Marquardt es diskreditierend formuliert, ist ebenfalls eine Tatsache, denn die Öffentlichkeit kennt weder die Personen, noch die Ziele und schon gar nicht die psychologischen Methoden, die sich hinter dem nudging verbergen. Dass die klandestinen Manipulation deshalb zu Spekulationen führen, ist nur folgerichtig und wer möchte auch nur das Gefühl haben, von der Regierung als Objekt betrachtet zu werden, das psychologisch gesteuert werden muss?

Das dem nudging innewohnende Missbrauchspotential ist dabei noch gar nicht angesprochen, denn wer weiß schon, ob die Regierung die Psychotricks nur zur Verbesserung von Steuermoral und Volksgesundheit einsetzt oder nicht doch zur eigenen Machtsicherung, dem Aufbau von Feindbildern, zur Propaganda für Sozialabbau, gegen Gewerkschaften, für Großkonzerne oder zur Durchsetzung anderer Partikularinteressen, für die sie nicht von den Bürgern legitimiert wurde.

Rainer Mausfeld: „Es geht also bei Soft Power letztlich um eine psychologische Kriegsführung gegen die Bevölkerung, die für die Bürger möglichst unsichtbar sein soll, indem sie natürliche ‚Schwachstellen‘ des menschlichen Geistes ausnutzt. Aus der Perspektive der Volkes ist das Problem nun, dass die herrschenden Eliten auf das in Universitäten und Think Tanks angesammelte Wissen über diese Schwachstellen zugreifen können und daher über sehr viel mehr Wissen über uns, über unsere natürlichen Bedürfnisse, unsere natürlichen Neigungen und unsere ‚Schwachstellen‘ für eine Manipulierbarkeit verfügen als wir selbst. Da uns diese Schwachstellen selbst nicht bewußt sind, haben wir kaum eine Möglichkeit, uns gegen diese Manipulationen zu wehren.“ (Die Angst der Machteliten vor dem Volk – Demokratie-Management durch Soft Power-Techniken; PDF)