Schlagwörter
Demokratie, Desinformation, Kriegshetze, Kriegspropaganda, Mediendiskurs, Propaganda
Daniele Ganser wurde 1972 in Lugano in der Schweiz geboren und ist promovierter Historiker und Friedensforscher mit Spezialgebiet Energiefragen, Wirtschaftsgeschichte, Geostrategie und internationale Zeitgeschichte seit 1945.
Gruppe42 im Dialog:
Dr. Daniele Ganser – Frieden aus Geschichte lernen
Sein Geschichtsstudium begann er 1992 an der Universität Basel, an der Amsterdam University (UVA) und an der London School of Economics and Political Science (LSE). Er erwarb sein Lizentiat im Jahre 1998 summa cum laude und seine Promotion im Jahre 2001 insigni cum laude. Von 2001 bis 2003 forschte er beim Think Tank Avenir Suisse in Zürich, von 2004 bis 2006 am Center for Security Studies (CSS) der ETH Zürich. Er unterrichtet an der Universität St. Gallen (HSG) zur Geschichte und Zukunft von Energiesystemen und war Dozent für Zeitgeschichte an der Universität Basel, der Universität Zürich und der Universität Luzern.
Er ist Mitglied des wissenschaftlichen Beirats des Wirtschaftsverbandes swisscleantech.
Dr. Daniele Ganser wurde von Mensa Deutschland, dem Verein für hochbegabte Menschen mit dem deutschen IQ-Preis 2015 ausgezeichnet.
In ihrer Erklärung schreibt MENSA dazu: „In der Kategorie „Intelligente Vermittlung von Wissen“ entschieden sich die Mensaner für Dr. Daniele Ganser, weil er durch seine kritischen und teils kontroversen Veröffentlichungen die breite Öffentlichkeit dazu anregt, die Welt um sich herum zu hinterfragen.“
Außdem ist er Gründer und Inhaber des Swiss Institute for Peace and Energy Research (SIPER).
Sein Buch „NATO-Geheimarmeen in Europa“ wurde in 10 Sprachen übersetzt. Sein Buch „Europa im Erdölrausch“ erschien im September 2012 und schildert den globalen Kampf ums Erdöl. Die TOP-10 seiner Vorträge und Interviews haben auf Youtube mehr als 3 Millionen Views. Daniele Ganser hat eine Tochter und einen Sohn und lebt mit seiner Familie in der Nähe von Basel.
Am 24. September 2016 war Dr. Daniele Ganser in Wien und hielt für die Gruppe42 einen Vortrag im Odeon Theater, der bald auf unserem YouTube Kanal veröffentlicht wird. Das Interview wurde am Sonntag den 25. September von unserem Sprachorgan David Kyrill geführt. (youtube, Homepage)
Ganser ist einer der Wenigen, die mit scharfem Verstand und ohne Scheuklappen berichten was sie sehen und hören. Das Hören und sehen jedoch, läuft bei ihm nicht an der Glotze ab, er erarbeitet sich das Wissenschaftlich.
Gut dass es das noch gibt, beängstigend nur, dass es so rar ist.
Ich möchte das Interview noch mal hervorkramen. Was mich etwas stutzig macht, ist das was Ganser über die dortige Polizei in Syrien sagt.
Er meint die syrische Polizei sei nur mit Schlagstöcken bewaffnet und deswegen musste die Armee eingeschaltet werden, weil die Polizisten erschossen wurden. Das kommt mir seltsam vor. Kann das jemand bestätigen?
Ich werde mich damit selbst noch etwas befassen, nur finde ich das so etwas seltsam. Mag sein, dass der Großteil der Polizei so ausgerüstet ist im Normalfall.
Auch bei Ausschreitungen die Polizei gegen Aufruhr sieht man das ja normal auch nur.
Aber die werden doch sicher auch SEKs haben und Scharfschützen. Oder war die Aggression schon so hoch, dass man auf die Armee zurück greifen musste? Kann auch sein, dass die Armee selbst polizeiliche Aufgaben in Syrien allgemein schon übernahm und das keine feste Grenze ist dort. Das wäre aber eines rechtsstaatlichen Staates unwürdig.
Ich finde die Motive des Herrn Ganser sehr lauter und angenehm. Bloß, man kann aus der Geschichte nichts lernen!, Der Einfachheit halber als Eigenzitat aus unserem Buch:
… Dann bezieht sich das Tätigsein der Menschheit auf unsere subjektiven Unternehmungen bis hin zur Gestaltung der so genannten internationalen Staatengemeinschaft, dann verlängern wir unsere spezifische, aktuelle, gleichzeitig historische Art der Tätigkeiten als menschheitlich in die Vergangenheit und behaupten, was wir tun, tun wir mit dem Segen der Geschichte der Menschheit und der Geschichte von Entwicklung, Evolution und Fortschritt. Wir sagen in diesem Zusammenhang „aktuell, gleichzeitig historisch“, weil mit „historisch“ nicht Vergangenes bezeichnet wird, sondern Gegenwärtiges, das sich mit Vergangenem legitimiert, es nicht ruhen oder sterben lassen kann, sondern zu unserer Rechtfertigung seiner bedarf. So halten wir diese Leichname künstlich am Leben, damit sie uns stützen und uns willfährig dienen. Dieser Art, sich auf Vergangenheiten zu beziehen, setzen wir Denkmäler, die auf uns verweisen und uns immer daran gemahnen, dass wir Verwalter und Fortführer des menschlichen Erbes sind. Der Gedanke, Altes, Kaputtes oder Verbrauchtes entsprechend zu behandeln, ist uns widerwärtig und erscheint uns als barbarisch. Wir bemerken gar nicht mehr die Ungeheuerlichkeiten, die wir begehen, wenn wir darauf bestehen, durch weltweite Verträge gebunden, das „Erbe der Menschheit“ – immateriell oder nicht, kulturell oder natürlich – zu bewahren. Wir verschließen uns die Zukunft, die Neuerung, die tabula rasa, die Möglichkeit, mit dem Erinnern aufzuhören. Eine Gesellschaft wie die des Modernen Ensembles, die auf ursprünglicher Rechtlosigkeit und zu Grunde liegender Gewalt beruht, die um ihres Fortschritts willen, den sie ja doch nur als abstraktes Wachstum begreifen kann, die Vergangenheit als einziges Maß von Wachstum und Entwicklung willkürlich am Leben erhalten muss, um „aus der Geschichte zu lernen“, braucht die Menschheit, auf die sie sich berufen kann, deren kulturelle und natürliche und immaterielle Güter sie bewahren will, auch wenn diese jede Praktikabilität verloren haben und wir Tempeltanz oder Küferhandwerk nicht verstehen und nicht brauchen und uns Zeugnisse der ägyptischen Religion nicht weiter anrühren als durch ihre tote Monumentalität – ihre lebendige Bedeutung ist für uns ja längst geschwunden. Wir finden keinen Zugang außer dem archäologischen und musealen, aber verweigern ihnen den Untergang im Assuan-Stausee oder im Vergessen. Wir bauen unseren Städte keine Hochhäuser und Türme ins Zentrum, nur an den Rand, um die alten Stadtkerne im Ensemble zu schützen. Wir verzichten darauf, den Turm als lebendiges Zeichen und Mal der Stadtbevölkerung und ihrer Größe noch einmal aufzurichten, weil wir uns der Bewahrung verschrieben haben, nicht der Erneuerung. Bewahrt aber wird im Namen der Menschheit, ungeachtet dessen, ob die realen Menschen diese Bewahrung brauchen oder ob sie nicht sogar zu deren Lasten geht.
Ich schätze Ganser sehr, aber dass er die Rolle isarelischer Interessen am Syrien-Krieg nicht sehen will, das verwundert doch sehr. Dass Israel 1967 die syrischen Golan-Höhen völkerrechtswidrig besetzte, das dürfte auch Ganser nicht entgangen sein. Auch wird er vielleicht mitbekommen haben, dass die israelische Luftwaffe vor kurzem syrische Stellungen angriff. Und ich lasse auch einmal Elie Wiesel zu Wort kommen: Bei einem gemeinsamen Auftritt mit Obama im Washingtoner Holocaust-Museum sagte er angesichts des andauernden Krieges in Syrien: „An diesem Ort müssen wir uns fragen: Haben wir denn nichts gelernt? Wie kann es sein, dass Assad noch immer an der Macht ist?“