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Gegenpropaganda russischer Art

Ich erinnere mich, wie lächerlich die Sowjetpropaganda war. Keiner nahm sie ernst, weder im Westen noch im Osten. Jetzt hat sich das Blatt gewendet und es ist die westliche Propaganda, die keiner mehr ernst nimmt.

von TheSaker                                                 Übersetzung FritztheCat

Hört man die westlichen Konzernmedien, so kann man den Eindruck gewinnen, dass der Kreml alle russischen Medien mit eiserner Faust kontrolliert und dass kein einziges Wort der Kritik an Russland, geschweige denn an Putin, jemals erlaubt sei. Die Situation ist so schlimm, dass die AngloZionisten jetzt neue „Informations“-Offensiven finanzieren, um der russischen Propagandamaschine zu begegnen und dem russischen Volk die dringend benötigten Informationen zu liefern. Denn das Volk wisse ja nicht, dass es belogen und jeder wahren oder alternativen Information beraubt wird.

Aber tatsächlich ist genau das Gegenteil wahr.

Erstens: Einige Abteilungen des KGB wurden umbenannt und neu organisiert, aber die für Dissidenten (die „Andersdenkenden“ und die verschiedenen ideologischen „Staatsfeinde“) zuständige Abteilung (die 5. Hauptabteilung) wurde komplett aufgelöst. Es gibt also keine „ideologische Polizei in Russland“. Einige Arten der Rede sind jedoch verboten – „extremistische“ Rede (Terrorismus, Gewalt, Rassismus, Hassrede, usw.) und einige bestimmte Organisationen wie der ukrainische „Rechte Sektor“ oder die tatarische „Mejlis“. Abgesehen davon wird die freie Rede in Russland nur bei kriminellen Anschuldigungen kontrolliert. Somit ist Russland also eigentlich nichts Besonderes – es tut mehr oder weniger genau das, was alle europäischen Länder machen.

Zweitens: Es gibt „jede Menge“ Kritik an Putin und der Regierung allgemein in einem sehr aktiven RuNet (das russische Internet), nicht nur in Russland, sondern weltweit (USA, Kanada, Kasachstan, Ukraine, etc.). Ein Teil der Kritik kommt von einer ziemlich kleinen Pro-US-Minderheit, aber der größere Teil stammt aus dem Anti-US-Lager: Nationalisten, Kommunisten und den Kritiker der Wirtschaftspolitik der Regierung, sie alle beschuldigen Putin, dass er zu schwach sei und nicht gewillt, dem Westen die Stirn zu bieten. Im Gegensatz zur Ukraine sind ausländische Medienorganisationen nicht verboten. Und auch nicht deren Sendungen oder Zeitungen.

Drittens: Der Großteil der in Moskau ansässigen „Geld-Elite“ (ich will sie nicht „intelligentsia“ nennen) hat für Putin und seine Politik nur Verachtung übrig. Und sie zögern nicht, ihre Meinung über ihn zu äußern. Wenn man diese Hypothese überprüfen will, dann muss man nur mit einem wohlhabenden russischen Touristen reden, dann zeigt sich, dass sie Putin in keinster Weise unterstützen. Wir wissen: „Geld ist Macht“, und ein großer Haufen dieses russischen Geldes ist mit Sicherheit gegen Putin.

Was nicht heißen soll, dass es keine russische Gegenpropaganda gibt. Es gibt sie, und sie ist sehr effektiv. Und was sie so besonders macht ist die Art und Weise wie sie ausgeführt wird.

Ich vermute, dass die unglaublich inkompetente Art, wie die 5. Hauptabteilung des KGB mit den antisowjetischen Meinungen umzugehen versuchte, bei der jüngeren Generation der Sicherheitsbeamten tiefe Spuren hinterlassen hat und sie aus diesen Fehlern gelernt hat. Und sie schlagen jetzt den genau gegenteiligen Weg ein: anstatt zu versuchen, die westliche Propaganda zum Schweigen zu bringen, befördern sie sie sogar!

Ja, so ist es. Der Kreml und die echten pro-Putin-Journalisten versuchen alles, um den wildesten anti-Kreml-Kritikern so viel Sendezeit wie möglich einzuräumen, besonders in den russischen Talkshows.

Die beliebtesten russischen Fernsehtalkshows (Der Sonntagabend mit Vladimir Solowjow, Zeit wird es zeigen mit Petr Tolstoi, „Das Recht zu wissen“ mit Dmitrii Kulikov, „Politik“ mit Petr Tolstoi und Alexander Gordon, „Spezial Korrespondent“ mit Evgenii Popov, „Nachrichten.doc“ mit Olga Skobeeva, „Duell“ mit Vladimir Solowjow) stellen alle sicher, dass folgende Gruppen so viel Sendezeit wie möglich bekommen:

  1. Russische Liberale
  2. Russischsprachige amerikanische Journalisten
  3. Russischsprachige polnische Offizielle und Journalisten
  4. Ukrainische Nationalisten

Diese vier Gruppen sind buchstäblich das Hauptgeschäft dieser Talkshows. Und sie bieten einen ständigen Strom an sehr unterhaltsamen politischen Debatten. Warum? Weil sie genau den gleichen Unsinn von sich geben wie in ihren eigenen Ländern. Und auch wenn das westliche Publikum nicht weiß, was es von dieser Propaganda halten soll – für das russische Publikum klingt es dermaßen abgefahren, dass diese Gäste regelmäßig von den russischen Gästen dieser Talkshows total zerlegt werden (natürlich nur verbal).

Und damit das auch jeder in Russland „mitbekommt“, zeigen die großen wöchentlichen Nachrichtensendungen („Nachrichten der Woche“ mit Dmitri Kiseljow, „Postscriptum“ mit Alexei Pushkov) immer lange Ausschnitte aus den westlichen Propagandaberichten und die heftigsten antirussischen Äußerungen westlicher Politiker.

Zum Beispiel zeigte die BBC vor kurzem einen ziemlich grotesken Propagandafilm mit dem Titel: „World War Three: Inside The War Room“. Darin befiehlt Putin die Invasion einer baltischen Republik und einen Nuklearangriff auf einen US-Flugzeugträger. Die russischen Medien sind total ausgeflippt und zeigten lange Ausschnitte des Films, mit Spezialeffekten und all dem, im russischen Fernsehen. Die russische Öffentlichkeit sah diese Bilder mit Staunen und Bestürzung ob der Dummheit des Ganzen.

Und jüngst zeigte das US Magazin „Foreign Affairs“ ein Video zu seiner neuesten Ausgabe. Titel: „Putin’s Russia“:

foreign_bear

Saker_BearSeht Euch das Titelblatt an:

Man muss es nicht extra erwähnen, aber die Russen waren total begei­stert. Natür­lich nicht über das Bild, das war zutiefst belei­digend für sie. Aber über die Tat­sache, dass Foreign Affairs so deutlich sein wahres Gesicht zeigte: hass­erfüllte Russo­phobie. Russland als betrun­kener, frustrierter und verwun­deter Bär. Allerdings haben sie sich gefragt, warum die West­ler sie als verwundet zeigten; und verwundet wodurch?

Und auch das „Making America Great Again“ oben auf dem Titel hat ihnen gefallen, denn das ist das eigentliche propagandistische Ziel dieser Ausgabe: wenn Russland verwundet ist, dann sieht „Merika“ „Great“ aus.

Ob Ihr’s glaubt oder nicht: die meisten Russen kringeln sich vor Lachen und gleichzeitig gibt es ihnen einen akuten Eindruck vom Hass des Westens auf Russland. „Sie mögen uns nur, wenn wir schwach, verwundet und besoffen sind“. Das hört man im russischen TV sehr oft, und die Blogosphäre stimmt da völlig zu.

Ein weiterer regelmäßiger Bestandteil im russischen TV, von dem die allgemeine Öffentlichkeit nicht genug bekommen kann, sind die ukrainischen Nationalisten. Denn die streiten nicht nur systematisch jedwede Probleme in dem von Nazis besetzten Land ab und behaupten weiterhin, dass das russische Militär den Donbass besetzt hält. Sie erscheinen sogar mit dem obligatorischen Tschub, der Stirnlocke, und der Ukie-Flagge der Ukronazi-Patrioten. Seht selbst:

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Es ist wirklich eine faszinierende Erfahrung, den Abendnachrichten mit ihren Live-Berichten und den Videos zuzuhören, mit all dem Chaos und der Gewalt in der Ukraine, und dann diesen Ukronazi-Clowns zuzuhören, wie sie erklären, dass 2+2=3 ist, dass schwarz weiß ist und Wasser trocken. Ich kann mir keinen besseren Weg vorstellen, um das Regime in Kiew völlig lächerlich zu machen.

Und dann gibt es unsere früheren osteuropäischen „Brüder“, insbesondere die Polen. Ihr ganzer Stolz ist heute, dass sie in der NATO sind, und sie sagen es frei heraus. Sie geben sogar zu, dass sie „Angst vor Russland haben und deshalb der NATO beigetreten sind“. Das lässt sie sowohl als Idioten dastehen (niemand in Russland glaubt, dass Russland jemanden überfallen will) als auch als Feiglinge (aus russischer Sicht verdient jemand, der sich „hinter einem größeren Bruder verstecken muss“ überhaupt keinen Respekt). Und so werden die Ukronazis als Clowns wahrgenommen und die polnischen Offiziellen als Feiglinge und Prostituierte. Und damit das auch jeder mitbekommt, wird das russische Volk in den russischen Medien regelmäßig über die irrsinnigen Vorwürfe der Polen erinnert, dass das Regierungsflugzeug bei Smolensk abstürzte, weil eine russische Bombe an Bord war oder von den Russen abgeschossen wurde.

Dann gibt es die amerikanischen Journalisten, hauptsächlich Michael Bohm (er spricht ziemlich gut russisch) und Mark Knuckles (sein russisch ist grottenschlecht und er hört sich an wie die Karikatur eines CIA Stationschefs während des Kalten Kriegs in einem schlechten Film). Oh Mann, die zwei garantieren wunderbare Unterhaltungsstunden.

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Michael Bohm ist eindeutig der Cleverere von den beiden, aber er ist auch der weitaus gemeinere. Er bemüht sich zwar, nicht wie ein typischer US-Propagandist zu klingen, aber immer wieder „knickt er ein“ und fängt an, widerwärtigen US-imperialistischen Unsinn zu verzapfen. Er liebt es, irgendwelche russischen Erfolge zu verneinen (er verwirft das als „Propaganda“). Knuckles ist einfach nur doof und arrogant, so wie es nur Amis können. Offen gesagt wundert es mich, dass noch niemand in den USA einen Weg gefunden hat, ihn aus dem russischen Fernsehen abzuziehen, bevor er das Ansehen der USA in Russland weiter beschädigt. Worum es auch geht, diese Kerle sind ein echter Schenkelklopfer, besonders wenn sie mit vernünftigen westlichen Journalisten aus Frankreich, Griechenland, Deutschland oder sogar amerikanischen Landsleuten konfrontiert werden (hier ein gutes Beispiel)

Und zu guter Letzt gibt es die russischen Liberalen. Ihr müsst wissen, dass mittlerweile die Wörter „Liberaler“ und „Demokrat“ in Russland fast schon Schimpfworte sind. Ein typischer russischer Witz zeigt die russische Sicht auf Liberale:

Ein neuer Lehrer stellt sich seiner neuen Klasse vor:
– Ich heiße Abram Davidovich, ich bin ein Liberaler. Und jetzt steht alle auf und stellt euch so vor…
– Ich heiße Masha und bin liberal…
– Ich heiße Petia, ich bin ein Liberaler…
– Ich bin Little Johnny, ich bin ein Stalinist.
– Little Johnny, warum bist du ein Stalinist?!
– Meine Mutter ist Stalinistin, mein Vater ist Stalinist, meine Freunde sind Stalinisten und ich bin auch Stalinist.
– Little Johnny, und wenn deine Mutter eine Hure wäre, dein Vater ein Drogensüchtiger und deine Freunde schwul, was wärst du dann?
– Dein wäre ich ein Liberaler.

Beachtet, dass der neue Lehrer einen typisch jüdischen Namen trägt. Das verdeutlicht die russische Meinung, dass Juden die typischen Vertreter jener Art von „Liberalismus“ sind, wie ihn Typen wie Berezovsky oder Khodorkovsky in den 1990ern personifizierten. Das ist nicht irgendein Antisemitismus – es ist einfach eine typische Retourkutsche.

Wenn also die armen russischen Liberalen im russischen TV ihre Meinung vertreten müssen, dann müssen sie nicht nur versuchen, die imperiale Politik der Anglozionisten zu verteidigen (oder wenigstens zu rechtfertigen). Sie werden auch ständig daran erinnert, welche Schrecken ihre Herrschaft in den 90ern in Russland verursacht hat. Sie stehen in einer Reihe mit den Russland hassenden Amerikanern, Polen und Ukrainern, und sie sehen schlecht aus und man vergibt ihnen nicht.

Es gibt echt nichts Lustigeres, als russischen Liberalen, Amerikanern, Polen und Ukrainern dabei zuzusehen, wie sie im russischen Fernsehen zur besten Sendezeit behaupten, dass es in Russland keine Redefreiheit gebe!

Vergesst nicht, dass russische Medien im Inland sich sehr vom englischsprachigen Russia Today unterscheiden. Dessen Aufgabe ist es, dem westlichen Publikum eine alternative Sichtweise zu bieten und daher werden auf RT selten die wilden Russphoben eingeladen. Aber innerhalb Russlands wurde eindeutig entschieden, der russischen Öffentlichkeit die selbe antirussische Propaganda vorzuführen wie sie der westlichen Öffentlichkeit aufgedrängt wird.

Man könnte auch sagen, dass diese Technik der russischen Gegenpropaganda eine Art intellektuelle Schutzimpfung ist. Man setzt dem Körper genau die Menge an Erregern aus damit er eine Immunreaktion auslöst. Nur nicht so viel, dass der Körper infiziert wird oder stirbt. Das Ergebnis ist, dass sich folgende Assoziationen wirksam ins russische Kollektiv eingegraben haben:

Russische Liberale → der Horror der 1990er
Amerikanische Journalisten → imperialistische Aggression der USA
Polnische Offizielle und Journalisten → Russophobie
Ukrainische Nationalisten → Horror des aktuellen Banderastan

Das ist sehr sehr wirksam. Der beste Beweis ist wenn man sich vergegenwärtigt, dass all diese Gruppen eine Unterstützung von vielleicht 3-6% der russischen Bevölkerung haben, maximal. Satte 95% oder mehr lehnen sie rundweg ab und wollen nicht, dass sie für die Zukunft Russlands etwas zu sagen haben oder Einfluss bekommen.

Ich selbst war einmal ein Kalter Krieger und ich erinnere mich, wie lächerlich die Sowjetpropaganda war. Keiner nahm sie ernst, weder im Westen noch im Osten. Jetzt hat sich das Blatt gewendet und es ist die westliche Propaganda, die keiner mehr ernst nimmt (nun, vielleicht mit Ausnahme Polens und der baltischen Staaten) und die letzten Endes die Glaubwürdigkeit des Westens schädigt.

Die Propaganda des Imperiums widerspricht einfach den Tatsachen und ist völlig unlogisch, und für das russische Publikum ist das offensichtlich. Aus diesem Grund wird der Kreml auf keinen Fall zulassen, dass die Menschen Russlands dem nicht ausgesetzt werden.