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ard_logoWenn ARD und ZDF Brennpunkte oder Sondersendungen mit wirtschaftlichen oder sicherheitspolitischen Themen ins Program heben, dann kann man als Zuschauer sicher sein, dass man regelmäßig Regierungspropaganda statt unvoreingenommene Informationen vorgesetzt bekommt. Genau das zeichnet einen Staatssender aus.

ARD 30.06.2015 21.45 Uhr

Das war bei der gestrigen Sondersendung „Griechenland am Scheideweg“ auch nicht viel anders. Das Skript hätte in weiten Teilen im Wirtschaftsministerium geschrieben sein können. Es moderierte der unsägliche Sigmund Gottlieb,  Karikatur eines Journalisten und seit Jahrzehnten Inbegriff deutscher Hofberichterstatter.

Statt Informationen und ausgewogener Berichterstattung gab es also wieder einmal reichlich Meinungsmache, Propaganda und Diffamierungen auf dem intellektuellen Niveau, das man von Typen wie Gottlieb und Krause gewohnt ist und auf das sie abzielen: Stammtisch.

Kostprobe (2:30min):

ARD_Griechenland am Scheideweg240„Heute, am letzten Tag, bevor die Kredite auslaufen, denken viele Athener über die möglichen Kon- sequenzen nach. Viele wünschen sich eher eine Wiederaufnahme der Verhandlungen. Wir jedenfalls haben heute niemanden getroffen, der den Euro aufgeben will. Hat sich die Regierung möglicherweise verspekuliert?“

Viele wünschen sich eher eine Wiederaufnahme der Verhandlungen.“ Genauso gut hätte man das Gegenteil sagen können: „Viele wünschen sich ein Ende des Austeritätsprogramms“ oder banales Zeug wie: „Viele lagen heute am Strand“ oder „Viele lutschten heute Eis in der Sonne.“ Der Satz ist also keine relevante Information, sondern dient ausschließlich der Meinungsmache. Er soll suggerieren, die Mehrheit der Bürger stünde nicht hinter der Politik der Regierung.

„Wir jedenfalls haben heute niemanden getroffen, der den Euro aufgeben will. Für diesen Satz gilt zunächst einmal das Gleiche, wie für den vorigen Satz. Wen ich treffe, hängt einzig und allein davon ab, wohin ich gehe und wen ich treffen will. Man hätte den Tag in Athen problemlos verbringen können, ohne jemanden zu treffen, der das Austeritätsprogramm fortsetzen möchte denn darum geht es in dem Referendum. Die vorsätzlichen Lügner von der ARD suggerieren aber, es ginge um die Aufgabe des Euro. Die steht aber bekanntlich im Referendum überhaupt nicht zur Wahl.

„Hat sich die Regierung möglicherweise verspekuliert?“ Schlagzeile: »Kindesmissbrauch in München! Ist Sigmund Gottlieb möglicherweise ein Wiederholungstäter?« Genauso wie die Frage, ob die griechische Regierung sich möglicherweise verspekuliert hat, handelt es sich um eine diffamierende Suggestivfrage, denn sie unterstellt als gegeben, dass Gottlieb ein bekannter Sexgangster ist. Nur die Frage, ob er ein Wiederholungstäter ist, die scheint noch ungeklärt. Die ARD-Propaganda unterstellt als gegeben, dass Tsipras ein Spekulant oder Spieler ist und es ist nur noch die Frage, ob er sich verzockt hat. Das dient der Diffamierung seiner Person und der Delegitimation seines politischen Handelns. Gleichzeitig soll der Blick auf die wahren Gründe – dass die Regierung dem Volk weitere Verarmung nicht zumuten kann, weil sie das in ihrem Regierungsprogramm versprochen und im Parlament dafür keine Mehrheit hätte – verschleiert werden.

Im folgenden Gespräch lügt Rolf-Dieter Krause:

ARD_Griechenland am Scheideweg1240„Der griechische Ministerpräsident hat heute noch einmal einen Brief geschickt mit einer Forderung. Er will einen Schuldenschnitt. Er will eine Verlängerung des laufenden Programms und er will vor allem ein völlig neues Programm haben …“

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Krauses Englisch ist auf dem unterirdischen Niveau seiner „Wirtschaftskompetenz“ – es sei denn, man versteht Wirtschaft hier vielleicht im Sinne von Kneipe. Krause hat weder studiert, noch sonst irgendeine berufliche Qualifikation, darf aber in der ARD zur besten Sendezeit dummes Zeug erzählen, weil er eben das dumme Zeug erzählt, was diejenigen, die ihn finanziell aushalten, hören wollen. Natürlich hat Tsipras keineForderung“ gestellt, sondern einen „Request for stability support„, was man korrekterweise als „Anfrage“ übersetzen muss. Diese Anfrage wird in deutschen Hetz- und Lügenmedien entweder – wie hier beim Lügner Krause – zur Forderung oder zum Bettel-Brief.

Es folgt eine Methode, die wir sattsam aus der Propaganda gegen Putin oder GdL-Chef Weselsky („Spielernatur„) kennen: Tsipras ist „unberechenbar„!

Gottlieb: „Immer wieder haben sich politische Beobachter in den vergangenen Monaten gefragt, warum Regierungschef Tsipras so handelt, wie er handelt – oft unberechenbar…“

Damit soll Tsipras als irrational diffamiert werden. Verständlich ist für die Propagandisten des Staatsfunk nur, was Schäuble, die Bundesregierung, die NATO, die USA, die EU, der IWF oder die Euro-Gruppe veranstalten. Deren Handeln wird niemals hinterfragt und schon gar nicht als irrational dargestellt, sondern durchweg als vernünftig oder den Umständen angemessen. Putin, aufmüpfige Gewerkschafter, heute Tsipras, morgen ein beliebiges anderes zu diffamierendes Feindbild, werden dagegen als unberechenbare und bedrohliche Spieler, Renegaten oder erklärte Feinde dargestellt. Anstatt sie selbst sprechen zu lassen, wird vorwiegend über sie gesprochen und zwar in diffamierender und psychologisierender Art und Weise.

ARD_Griechenland am Scheideweg4240Immerhin kommen im nächsten Einspieler zwei Syriza-Mitglieder zu Wort, deren Äußerungen deutlich machen, dass Tsipras selbstver- ständlich kein Zocker oder Irrer ist, sondern ein Politiker, der sein Land vorbei an Skylla und Charybdis navigieren muss. Gibt er der Euro- Gruppe zu sehr nach, verrät er seine Wahlversprechen und bekommt im Parlament keine Mehrheit. Bleibt er bei seiner Politik, für die er gewählt wurde, riskiert er, dass Griechenland kurzfristig zumindest für einige Monate in ein gefährliches Chaos stürzt, bei dem selbst eine Machtergreifung des Militärs nicht ausgeschlossen ist – was in der ARD selbstverständlich nicht thematisiert wird.

In der 9.Minute folgt das, was die ARD als ein „Interview mit Martin Schulz“ bezeichnen würde. Tatsächlich ist es die gewohnte servile, vollkommen unkritische Stichwortgeberei, die man vom Staatsfunk kennt. Gottlieb präsentiert sich als das, was er ist: ein gekaufter Strichjunge, dem Martin Schulz nach dem Geschäft aus lauter Dankbarkeit einen Lolly in die frisch besamte Schnute schieben müsste. Man hätte Schulz auch hinsetzen und ihn eine Erklärung verlesen lassen können, es wäre aufs Gleiche hinausgelaufen, würde aber den letzten Anschein von Demokratie und Journalismus untergraben. Kasperletheater für die Siechenstation.

ARD_Griechenland am Scheideweg2240Es folgt der einzige journalistische Lichtblick der gesamten Sendung (das Interview mit den Syriza-Abgeordneten war eine Selbstverständlichkeit): ein längerer Beitrag über Georgios „Jorgo“ Chatzimarkakis, der so qualifiziert wie unverblümt – aber eben auch ohne diffamierende Agenda – einige grund- legende Probleme in Griechenland anspricht.

Direkt danach geht es schon wieder weiter mit Propaganda. In einem offensichtlich zuvor inhaltlich abgestimmten weiteren Gottlieb-„Interview“ mit dem Vizepräsidenten der deutsch-griechischen Industrie- und Handelskammer werden nicht die Ursachen der Krise thematisiert, sondern die sattsam bekannten Realitäten beschrieben (Gottlieb: „Wie geht es der griechischen Wirtschaft in diesen Zeiten?“) – dafür braucht es aber keine Sondersendung. Auch jener Athanasios Syrianos darf erneut den Unsinn verbreiten, es ginge um den „Ausstieg Griechenlands aus dem Euro“ und das Referendum sei so kompliziert, man „bräuchte einen Doktortitel, um es zu verstehen“. Danke für diese Einschätzung!, zeigt sich Gottlieb zufrieden. Dieser Unsinn war ganz nach seinem Geschmack.

ARD_Griechenland am Scheideweg3240Mit dramatischer Musik untermalt, emotionalisiert der folgende Einspieler die sicherheitspolitische Bedeutung Griechenlands. Tenor: Wir, der Westen, haben dort eine „Flanke“ gegen Russland, dass sich mit fiesen Gaslieferplänen daran macht, Griechen- land zu kaufen und den Westen mit seinen hinterhältigen Investitionen zu destabilisieren.

Was der Propagandasender ARD und der in diesem Zusammenhang interviewte Wolfgang Ischinger nicht wahrhaben wollen, ist die Tatsache, dass der Kalte Krieg schon vorbei ist. Mehr noch! Sie wollen diesen Kalten Krieg aus politischem Kalkül in den Köpfen wiederbeleben. Natürlich ist das nicht in deutschem und auch nicht in europäischem Interesse – schon gar nicht in griechischem -, aber in sicherheitspolitischen Fragen ist Deutschland bekanntlich so wenig souverän, wie die Hofschranzen der ARD unabhängig sind.

Im letzten Teil der Sendung soll dann ein bisschen Hoffnung verbreitet werden. Die austerisierte, arbeits- und perspektivlose griechische Jugend hilft sich selbst mit kreativen Projekten, bei denen sie ihre Sorgen vergessen kann. Ist doch besser, als wenn sie auf die Straße gehen oder womöglich die Vorschläge der Euro-Gruppe lesen würde, nicht wahr?