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zdf_80Manchmal machen einen die himmelschreiende Doppelmoral und der Mangel an Selbstreflexion deutscher Journalisten nur noch sprachlos. So geschehen wieder einmal im ZDF, in der heute-Sendung vom Donnerstag 19.00 Uhr und in einer ausführ- licheren Wiederholung im heute-journal.

Da berichtete Korrespondent Michael Bewerunge aus Athen über den wieder auf Sendung gegangenen griechischen „Staatssender“ ERT, der vor ziemlich genau zwei Jahren von der liberal-konservativen Nea Demokratia unter Samaras über Nacht abgeschaltet worden war, um Forderungen der Troika nach Verschlankung des Staates nachzukommen. Unter der neuen Regierung wurde der Sender per Gesetz wieder in Betrieb genommen, wird vorwiegend durch eine Rundfunkgebühr finanziert und bekommt einen Verwaltungsrat aus sieben Mitgliedern, von denen fünf nach einem Ausschreibungsverfahren auf Vorschlag des Medienministers vom zuständigen Ausschuss des Parlaments gewählt werden. Die zwei restlichen Mitglieder werden von den ERT-Mitarbeitern in geheimer Wahl bestimmt.

ZDF_hj_11062015_ERT240Michael Bewerunge: „Vorher war der ERT ein aufgeblähter Apparat, fest in der Hand der jeweiligen Re- gierungen, die Pöstchen verteilten Das soll jetzt alles anders werden – trotz Wiedereinstellungen, angeblich ohne Mehrkosten.“

Ein aufgeblähter Apparat, fest in der Hand der Regierung? Woher kennen wir das denn? Bis 2012 war das Budget von ERT bei 300 Millionen Euro. Künftig muss man mit 60 Millionen Euro auskommen. Das waren bei 10 Millionen Griechen bis 2012 pro Bürger 30 Euro im Jahr und werden künftig 6 Euro pro Jahr sein. Vergleich zu Deutschland: 81 Millionen Bürgern zahlten 2014 8,3 Milliarden Euro GEZ. Das sind pro Nase satte 102 Euro. Der deutsche Staatsfunk war also schon 2012 finanziell mindestens dreimal so stark aufgebläht, wie der griechische. Mit dem neuen Gesetz zahlen die Griechen 3,00 Euro monatlich Rundfunkabgabe, während den Bürgern hierzulande mit 17,98 Euro beinahe das Sechsfache abgeknöpft wird.

Personell aufgebläht? ERT beschäftigte bis zu seiner Schließung 2.656 Mitarbeiter. Das ist 1 Mitarbeiter pro 3765 Einwohner. Die Öffentlich-Rechtlichen in Deutschland beschäftigen 25.000 feste Mitarbeiter, was 1 Mitarbeiter für nur 3240 Einwohner bedeutet und damit einen erheblich höheren Personalschlüssel darstellt. Hierbei sind die Mitarbeiter der steuerfinanzierten Deutschen Welle noch gar nicht mitgerechnet. Das bedeutet, dass der griechische Staatsfunk schon 2012, als er angeblich so aufgebläht war, mit einem Drittel an Kosten pro Bürger und anteilig weniger Mitarbeitern pro Bürger gearbeitet hat.

Und wenn Bewerungen im deutschen Staatsfunk mit Blick auf Griechenland von Pöstchen und Regierungsnähe schwafelt, dann wird es besonders grotesk. Ausgerechnet im ZDF, dessen Verwaltungsrat – genauso wie der Fernsehrat – von Politikern geradezu durchseucht ist und an dessen Spitze mit Kurt Beck ein ehemaliger Ministerpräsident sitzt. Dieser Verwaltungsrat hat 2009 einen Chefredakteur aus politischen Motiven abgesägt. Der ZDF-Fernsehrat wird mit Ruprecht Polenz von einem CDU-Politiker und NATO-Propagandisten der Deutsch-Atlantischen-Gesellschaft geleitet.

Kann es eine offensichtlichere Doppelmoral und Verlogenheit geben, als Bewerunge sie hier präsentiert? Schwerlich! Um dann sein eigenes Maulhurentum für die deutsche Regierung unter Beweis zu stellen, pöbelt der Möchtegern-Journalist auch noch im selben Beitrag ganz auf Schäuble-Kurs gegen Alexis Tsipras:

ZDF_hj_11062015_Bewerunge240Michael Bewerunge: „Die Wirt- schaft schrumpft, Anleger und Privatleute ziehen Kapital ab, Reformen in der Warteschleife. Der Grund dafür ist, dass Alexis Tsipras mit seinem Vabanquespiel zu viel Zeit vergeudet hat. Noch spüren die Griechen die Folgen kaum, doch das wird sich so oder so schon bald ändern, selbst dann, wenn es zu einer Einigung mit den Geldgebern kommt.“

Wie soll man so etwas kommentieren, ohne das gleich wieder jemand behauptet, hier würden Journalisten beleidigt? Das ist doch kein Journalismus, das ist Comedy, eine Farce, eine Beleidigung für die Zuschauer. Ich halte besser das Maul, bevor ich zu ehrlich werde.