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StopCopPolitisch-historisch betrachtet leben wir heute in Europa gewissermaßen in einer Zwischenzeit: post-barbarisch und prä-demokratisch. Opposition gegen die Regierenden muss nicht befürchten, enthauptet oder erschossen zu werden, sie wird nur entmündigt und kontrolliert. Wir leben im Zeitalter der Information und des Informationskrieges.

Zivilisatorisch gesehen ist das ein durchaus bemerkenswerter Fortschritt, wenn Andersdenkende, die die politische und wirtschaftliche Macht der Eliten bedrohen, nicht mehr kurzerhand aus dem Weg geräumt werden. Der Kampf um die politische und wirtschaftliche Organisation der Gesellschaft, um Ressourcen und Teilhabe, wird nicht auf den Straßen mit Knüppeln und Schießpulver ausgetragen, sondern in einem Informationskrieg in den Medien. Eine solche Gesellschaft ist noch nicht demokratisch, aber immerhin schon zivilisiert.

Von Informationskrieg muss man deshalb sprechen, weil die Medien noch immer zum großen Teilen in der Hand und unter Kontrolle kleiner Eliten (Parteicliquen, Konzerne) sind und von ihnen benutzt werden, um die Interesssen dieser Minderheit zum eigenen Vorteil gegen die Mehrheit durchzusetzen. Dazu bedienen sie sich der Lüge, dem Verschweigen und der Gehirnwäsche. Von Gehirnwäsche muss man immer dann sprechen, wenn Lügen und Verschweigen ein Ausmaß angenommen haben, das den Medienopfern dieser vorsätzlichen Desinformation eine Scheinrealtität vorgaukelt, die mit der realen Welt nur noch wenig zu tun hat. Im schlimmsten Fall kann Propaganda die Welt komplett auf den Kopf stellen. Täter werden als Opfer verbrämt, Opfer als Täter diffamiert. Massen werden bedarfsweise mit Winnetou narkotisert oder mit Lügen und einseitiger Desinformation aufgehetzt. Noam Chomsky drückte es so aus:

“Propaganda ist für die Demokratie,
was der Knüppel für den totalitären Staat.“

Der Schweizer Historiker und Friedensforscher Dr. Daniele Ganser hebt Chomsky prägnante Erkenntnis über die Bedeutung der Propaganda für die Herrschaft im Inneren auf die globale Ebene, wenn er mit Blick auf die Weltherrschaft des US-Imperiums folgende wichtige Erkenntnis konstatiert:

“Die erste Supermacht sind die USA,
die zweite Supermacht ist die öffentliche Meinung.“

Für die meisten von uns dürfte dieser Gedanke so neu wie einleuchtend sein. So treffend formuliert hat dies noch niemand und Gansers Erkenntnis verdient deshalb weitere Verbreitung. Es handelt sich um ein wahrhaftiges und wirkmächtiges Mem – ein Bunkerbrecher im Informationskrieg.

Die Bedeutung der öffentlichen Meinung und der eigenen Arbeit ist Journalisten so bewusst, wie dem Baggerfahrer die Grubenstabilität, dem Bäcker die Hefe und dem Arzt die Hygiene. In einem kurzen Moment der unbedachten Offenheit formulierte es ZDF-Korrespondent Stephan Hallmann während des israelischen Krieges in Gaza folgendermaßen:

Stephan Hallmann: “…viel hängt natürlich auch ab vom Druck der Weltöffentlichkeit auf Israel. Der wird zunehmen, bei zunehmender Zahl von Opfern unter der Zivilbevölkerung in Gaza. Im Augenblick hat Israel noch die volle Rückendeckung durch die USA oder auch durch Deutschland…”

Mit „Druck der Weltöffentlichkeit“ ist die Öffentlichkeit in jenen westlichen Ländern gemeint, die, wie Deutschland als Vasallen oder wie Frankreich als Allierte, die Politik des US-Imperiums mittragen und unterstützen. Würden die Medien in diesen Staaten die Verbrechen der westlichen Politik (Kriege, Sanktionen, Umstürze,…) offen benennen und die Folgen schonungslos und wahrhaftig darstellen, würden die Politiker in diesen Ländern sehr schnell unter öffentlichen Druck geraten und es würden Parteien Zulauf bekommen, die diese Politik ausdrücklich ablehnen.

Es ist also die vorrangige Aufgabe der transatlantisch gleichgeschalteten Medien, die menschenverachtenden Machenschaften des Westens schönzureden und andererseits all jene zu diffamieren und zum Abschuss freizugeben, die sich dem globalen Diktat der USA nicht unterwerfen.

Was bedeutet das für den Einzelnen?

Gansers Erkenntnis ist nicht mehr und nicht weniger, als eine Ermächtigung und Verpflichtung zugleich. Wir, die wir die öffentliche Meinung sind, müssen die eigene Macht erkennen, Lethargie überwinden, Narkotika absetzen und uns Werkzeuge und Techniken aneignen, um den Kampf gegen Propaganda, Desinformation, Kriegstreiberei und globale Verbrechen aufzunehmen. Wir können den Informationskrieg nicht ignorieren, weil wir – egal wie wir handeln – grundsätzlich und prinzipiell involviert sind. Wir entscheiden selbst, ob wir an Verbrechen teilnehmen, zuschauen oder uns gegen sie wenden. In der Erkenntnis der eigenen Macht liegt also auch die Verantwortung und Verpflichtung, diese Macht im richtigen Sinne einzusetzen.

Wer sich angesichts globaler Verbrechen und einer erdrückenden Propaganda berechtigterweise überwältigt und ohnmächtig fühlt, den Fernseher – genervt vom Elend der anderen – abschaltet und den Kopf in den Sand steckt, reagiert aber genau so, wie es sich die Mächtigen dann wünschen, wenn sie schon keine Gefolgschaft mehr erwarten können. Wer zu Verbrechen schweigt, gegen die er – ohne ein Risiko einzugehen – die Stimme erheben könnte, macht sich mitschuldig.

Niemand würde wissenden Auges zuschauen, wie ein Kind die Finger in die Steckdose steckt. Wie können wir also zuschauen, wenn ganze Völker in Not und Elend gestürzt werden? Ist nicht das Benennen und Zeigen auf derlei Verbrechen das Mindeste, was wir von uns selbst verlangen müssen, wenn wir schon das Glück haben, selbst (noch) nicht physisches Opfer zu sein? Ist es zuviel verlangt, die eigene Rolle als Teil der öffentlichen Meinung – der zweiten Supermacht – anzunehmen und diese Macht im richtigen Sinne einzusetzen?

Tatsächlich sollte es doch eine ermutigende Erkenntnis sein, dass wir diese Macht haben und nicht mehr von uns verlangt ist, als sie im Krieg der Informationen für die richtige Sache einzusetzen: für die Wahrheit, die Aufklärung, die Verständigung und für globale Kooperation – gegen Dominanz, Unterdrückung und Vernichtung.

Wie eingangs gesagt: aus politisch-historisch Sicht leben wir heute in einer Zwischenzeit. Der Weg zu echter Demokratie und zu einer freiheitlichen Informationsgesellschaft gleichberechtigter Bürger wird hier und heute ausgefochten. Es ist kein Krieg um Ideologien, kein barbarischer Krieg mit Spaten und Patronen, sondern ein Krieg um die freie Verfügbarkeit wahrhaftiger und uneingeschränkter Informationen. Es liegt allein an uns, ob wir am Ende unseres Lebens von uns sagen können, dass wir zumindest das getan haben, was wir tun konnten und dass wir mit den richtigen Mitteln für die richtige Sache gekämpft haben und die Welt ein Stückchen besser hinterlassen haben, als sie sich uns heute hinter all der Propaganda offenbart.