Schlagwörter

, , , , , ,

Für den uninformierten Leser, der sich erstmals auf diesen Blog verirrt, kann durchaus der Eindruck entstehen, hier würde das System des öffentlich-rechtlichen Rundfunks mit Stumpf und Stiel in den Boden gerammt. Nichts liegt uns ferner. Tatsächlich geht es hier darum, die ÖR vom Pfad der Propaganda auf den Pfad jenes objektiven, ausgewogenen, unparteilichen und vielfältigen Journalismus zurückzubringen, der ihnen von ihren Gründern in Form der Rundfunkstaatsverträge in die Wiege gelegt wurde.

Wie guter Journalismus aussehen kann, wenn Reporter ohne politische Agenda, weitestgehend unvoreingenommen, neugierig und den Menschen zugewandt berichten, das zeigte das ZDF „auslandsjournal“ am gestrigen Mittwoch. Dabei war im Vorfeld Schlimmes zu befürchten.

Gibt es etwas Schöneres, als eine positive Überraschung? Ein journalistisches Fiasko zu erwarten, um dann von einer Sternstunde exzellenter Berichterstattung und Erzählung geradezu überrumpelt zu werden? Das ist allemal einen ausführlichen Blogeintrag wert – auch wenn es tatsächlich nur eine halbe Sternstunde (27min) war.

ZDF_teletext_Putins_RockerDer Grund, Schlimmes zu befürchten, lag in der Presse- ankündigung des ZDF, in diesem auslandsjournal ein Machwerk Bernhard Lichtes über „Putins Rocker“, den „berüchtigten“ russischen Motorradclub „Nachtwölfe“ auszustrahlen. Noch während die Sendung lief, war die Vorankündigung im Videotext zu lesen.

Auf der Homepage des auslandsjournals war allerdings zu diesem Zeitpunkt davon schon keine Rede mehr, was die Spannung vor der Sendung – wenn man es wusste – noch einmal erhöhte. Einen Grund, warum der Beitrag, der noch am Dienstag nach dem heute-journal in einem Trailer angekündigt wurde, aus dem Programm flog, macht der Sender nicht öffentlich. Darf man auf interne Reibereien hoffen? Gibt es noch Journalisten mit Berufsethos im ZDF, die sich ein Format wie das auslandsjournal nicht durch billige Propaganda kaputt machen lassen wollen? Spekulationen sind erlaubt, denn das Niveau fast sämtlicher Beiträge lag weit über dem, was eine Katrin Eigendorf oder ein Bernhard Lichte den Zuschauern regelmäßig an Lügen, Verzerrungen, Einseitigkeiten und plumper Propaganda vorzusetzen pflegen.

Insgesamt gab es in dieser Ausgabe vier Beiträge aus aller Welt:

  1. Nepal nach dem Erdbeben – Peter Kunz
  2. Baltimore im Ausnahmezustand – Heike Slansky
  3. Katar kauft belgischen Fußballclub – Annette Hülsenbeck
  4. Weibliche Sumo-Kämpferinnen in Japan – Anja Roth

Eine exzellente Mischung – vielfältiger geht es nun wirklich nicht.

Die Themen Nepal, Fußball in Eupen und Sumo waren von vorneherein propagandistisch unverdächtig. Politisch motivierte Desinformation und Meinungsmache in der Auslandsberichterstattung sehen wir in der Regel nur, wenn transatlantische Themen oder Sicherheitspolitik tangiert sind. Hierbei gilt: Je besser die Sendezeit, desto höher die Wahrscheinlichkeit der Propaganda. Aus diesem Grund war es nach dem kommentarlos gestrichenen Nachtwölfe-Beitrag aus politischer Sicht nur noch spannend, wie Heike Slansky das Thema der rassistischen Polizeigewalt – und der teils gewaltsamen Proteste dagegen – in Baltimore/USA aufbereiten würde.

Um es kurz zu machen: der Bericht war erstklassiger Journalismus. Im nachhinein glaubt man kaum, dass es nur 6 Minuten waren, in denen man ausgewogen, differenziert, vorurteils- frei und so umfassend, wie in diesem Zeitrahmen möglich, informiert wurde. Das ist genau das journalistische Handwerk, auf das die Gebührenzahler des öffentlichen Rundfunks ein Recht haben – und zu dem ARD und ZDF verpflichtet sind.

Besonders bemerkenswert war Slanskys kritische Reflexion dritter Ebene, als sie die alltägliche Verrohung und Demütigung ansprach, die in einer Szene zum Ausdruck kam, in der eine Mutter ihren Sohn nach Hause „prügelt“, nachdem sie ihn bei den gewaltsamen Ausschreitungen erwischt hatte. In den USA wird Toya Graham hierfür – gegen ihren Willen – von vorwiegend rechten Medien als Heldin gefeiert. Tatsächlich aber ist das nicht nur ambivalente, sondern seit langem verherrlichende Verhältnis der USA zur Gewalt mit eine der Ursachen des gesellschaftlichen Problems. Die Militarisierung der Polizei vollzieht sich nicht allein in der offensichtlichen technischen Aufrüstung, sondern auch durch die Eingliederung oftmals unzureichend für diese Aufgabe ausgebildeter, ehemaliger Soldaten aus den Schlachtfeldern der sogenannten „Kriege gegen den Terror“.

Wenn aber Baltimore in Moskau wäre?

Kein Zweifel: würden die Vorgänge nicht in den USA, sondern Russland stattfinden, die Polizei würde als „Putins Schläger“ tituliert und die Gewalt würde dem russischen Präsidenten angelastet und propagandistisch ausgeschlachtet – so wie wir das in der Desinformation über den Maidan erlebt haben. Die Doppelmoral und Propaganda wird im direkten Vergleich durch RT besonders deutlich:

Kiew_Baltimore525

Bild anklicken (YouTube)

Sollte der abgesetzte Beitrag Lichtes nicht nur technische Gründe haben, sondern ein Schritt in Richtung seriösen Journalismus sein, dann wäre das zu begrüßen. ARD und ZDF müssen ja im Prinzip nichts anderes tun, als international mit gleichem Maß zu messen und – den Vorgaben des Staatsvertrag folgend – objektiv berichten. In Spanien gehen mittlerweile Journalisten gegen die Propaganda des eigenen Staatsfunks vor – ein Schritt, der in Deutschland überfällig ist.

Dass in den ÖR Menschen arbeiten, die zu hervorragendem Journalismus in der Lage sind, steht ja außer Frage. So lange sich diejenigen aber, die für diesen seriösen Journalismus stehen, nicht durchsetzen und endlich Maßnahmen ergriffen werden, die sicherstellen, dass die GEZ-Zahler immer den Journalismus bekommen, auf den sie ein Anrecht haben, so lange werden wir hier über die Propaganda der Lichtes, Eigendorfs, Atais und Lielischkies berichten müssen, die mit seriösem Journalismus so wenig zu tun haben, wie der Putsch in der Ukraine mit Demokratie.